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Tonka
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Aber wohin führen solche Gedanken?! Sie war ja doch an einem Zaun gestanden damals, vor der dunkel offenen Tür eines Häuschens, des ersten im Dorf gegen die Stadt zu, trug Schnürstiefel, rote Strümpfe und bunte, breite, tiefe Röcke, schien, während sie sprach, nach dem Mond zu sehen, der blaß über dem gemähten Korn stand, antwortete schlagfertig scheu, lachte, fühlte sich im Schutz des Mondes, und der Wind blies so sanft über die Stoppeln, als müßte er eine Suppe kühlen. Am Heimritt hatte er noch zu seinem Kameraden, dem Einjährigen Baron Mordansky, lachend gesagt: »Ich würde schon gern mit so einem Mädel etwas haben, aber es ist mir zu gefährlich; als Schutz gegen Sentimentalität müßtest du mir versprechen, Hausfreund zu werden.« Und Mordansky, der bereits Volontär in der Zuckerfabrik seines Onkels gewesen war, hatte darauf von der Rübenernte erzählt, wo Hunderte solcher Bauernmädchen auf den Fabriksfeldern arbeiten und sich den Gutsinspektoren und deren Gehilfen in allem so willig unterwerfen sollen wie Negersklaven. Und er hatte ganz bestimmt einmal ein solches Gespräch mit Mordansky abgebrochen, weil es ihn verletzte, aber das war doch nicht damals gewesen, denn das, was eben wie Erinnerung erscheinen wollte, war schon wieder das später gewachsene Dornengerank in seinem Kopf. In Wahrheit hatte er sie zum erstenmal am »Ring« gesehen, jener Hauptstraße mit den steinernen Lauben, wo die Offiziere und die Herren von der Regierung an den Ecken stehen, die Studenten und jungen Kaufleute auf und ab wandeln, die Mädel nach Geschäftsschluß oder die neugierigeren auch schon in der Mittagspause Arm in Arm zu zweien und dreien durchziehen, manchmal einer der Rechtsanwälte langsam und grüßend sich hindurchschieben läßt, ein Stadtverordneter oder auch ein angesehener Fabrikant, und sogar Damen nicht fehlen, die ihr Heimweg von den Einkäufen just vorbeiführt. Dort hatte ihn plötzlich ihr Blick in die Augen getroffen, ein lustiger Blick, nur ein Sekündchen lang und wie ein Ball, der aus Versehen einem Vorübergehenden ins Gesicht flog, im Nu von einem Wegschauen gefolgt und einem geheuchelt arglosen Ausdruck. Er hatte sich rasch umgedreht, denn er dachte, nun würde das Kichern folgen, aber Tonka ging mit geradem Kopf, fast erschrocken; sie ging mit zwei andern Mädchen, war größer als sie, und ihr Gesicht hatte, ohne schön zu sein, etwas Deutliches und Bestimmtes. Nichts darin hatte jenes Kleine, listig Weibliche, das nur durch die Anordnung wirkt; Mund, Nase, Augen standen deutlich für sich, vertrugen es auch, für sich betrachtet zu werden, ohne durch anderes zu entzücken als ihren Freimut und die über das Ganze gegossene Frische. Es war seltsam, daß ein so heiterer Blick saß wie ein Pfeil mit einem Widerhaken, und sie schien sich selbst daran wehgetan zu haben. Das war nun klar. Sie war also damals in dem Tuchgeschäft, und es war ein großes Geschäft, das viele Mädchen für seine Lager angestellt hatte. Sie 7
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Tonka
Title
Tonka
Author
Robert Musil
Date
1922
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.8 cm
Pages
46
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 9
  3. Kapitel 3 14
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 21
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 27
  8. Kapitel 8 30
  9. Kapitel 9 33
  10. Kapitel 10 35
  11. Kapitel 11 37
  12. Kapitel 12 40
  13. Kapitel 13 42
  14. Kapitel 14 44
  15. Kapitel 15 46
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