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Der Totenbrauch
Der Todtensarg ist aus weichem Holze verfertigt, und mit Farbe angestrichen, letzteres nur bei ganz
Armen nicht; der Sargdeckel mit einem verschiedenfarbigen Kreuze, in neuerer Zeit auch zuweilen mit
einem kleinen aus Messing geschlagenen Kruzifix und anderen Verzierungen aus Messing [âŠ]. [Der
Tote] wird zur Regel auf HobelspĂ€ne gebettet, und mit einer LeichenhĂŒlle, dann mit Brettern bedeckt,
welche HĂŒlle beim SchlieĂen des Sarges noch nach allen Seiten ĂŒber derselben hinausragt und ĂŒber den
unteren Theil hinabhÀngt.
(Pfarrchronik SchÀffern 1880, S. 312ff.)
Die Arbeit des Sargtischlers erforderte jederzeitige VerfĂŒgbarkeit, rasche Herstellung sowie passende
SarggröĂe und Anlieferung. Um 1900 war der Sargtischler in Neustift am Alpenwald gleichzeitig der
âBĂ„derâ, woran heute noch der Vulgoname BĂ„der-Peterl erinnert.
Bevor der Verstorbene aus dem Haus getragen wurde, sprach ein im Dorf oder in der Gemeinschaft
anerkannter Vorbeter den traditionellen, dem Verstorbenen entsprechenden âBeurlaubungsspruchâ44,
wovon auch Pfarrer SchÀnzl berichtet:
Eine von Anwesenden hÀlt mitunter an die Leidtragenden eine kurze Trauerrede, nimmt im Namen
des Verstorbenen Abschied von allen Verwandten und Nachbarn, bittet auch im Namen des Verstorbe-
nen um Verzeihung ĂŒber alle etwaigen Beleidigungen, dankt auch fĂŒr alle erwiesenen nachbarlichen
Freundschaftsdienste, und empfiehlt das Verstorbene dem Gebethe und frommem Gedenken aller Nach-
barn und Verwandten. Reichliche ThrĂ€nen flieĂen bei solcher Anrede, darauf wird der Todtensarg zu-
genagelt, und die Leiche in âGotts Namâ, in Gottes Namen, von der Stube hinausgetragen. Hiebei wird
bei der StubenthĂŒr mit dem Sarge 3mal an den ThĂŒrpfosten gestoĂen, und dazu gesprochen:
âPfĂŒat di Gott, Haus!
I muaĂ hiazt hinaus,
MuaĂ in den Friedhof ânein,
Gott wird dir gnÀdig sein.
Bethet fĂŒr mich, Gelobt sei Jesus Christus.â
(Pfarrchronik SchÀffern 1880, S. 312ff.)
Hundert Jahre spĂ€ter wurde der Sarg von den TrĂ€gern an der TĂŒrschwelle des Sterbehauses ebenso
angehalten und dabei vom Vorbeter, stellvertretend fĂŒr den Verstorbenen, der âAbschiedâ gesprochen:
Meine Lieben! Jetzt geh i fort von euch, fĂŒr immer in Gottes Namen,
Und nimm a Abschied von euch allen mitsammen.
Pfiat di Gott, mei liaber Ehemann [Ehefrau], ich danke dir fĂŒr deine Liab,
FĂŒr deine Treu, fĂŒr deine MĂŒh und deinen FleiĂ.
Du bist in schönen aber auch harten und schweren Tagen
Treu an meiner Seite gestanden.
So sage ich dir heute ein letztes Mal: Vergelt dir âs Gott dafĂŒr!
Pfiat euch Gott meine liabn Kinder,
Pfiat euch Gott meine liabn Enkelkinder,
Pfiat euch Gott meine liabn Geschwister, SchwÀger und SchwÀgerinnen.
Pfiat euch Gott all meine Gödenleut,
All meine Freundâ, all meine Nachbarsleutâ.
Auch sage ich vergelt âs Gott euch fĂŒr Speis und Trank, fĂŒr alle Liab und Sorg,
Die ich in meinen kranken Tagen von euch empfangen hab.
Pfiat di Gott mei Haus, in dem ich in Gottes Gnade wohnen durfte
Und in das ich nun nicht mehr kehre zurĂŒck.
Meinen Kindern und allen, die in diesem Hause bleiben und wohnen werden,
44 Robert WeiĂenhofer: âNun folgt die fast in ganz Niederösterreich in gleicher Weise ĂŒbliche, echt volksthĂŒmliche und tief er-
greifende Ceremonie des ,Abbittensâ oder ,Urlaubnehmensâ des Todten. Der Vorbeter oder aber der ,Bauerntischlerâ, welcher
den Sarg anfertigt, stellt sich neben denselben hin und hÀlt im Namen des Todten folgende Ansprache: ,Gelobt sei Jesus
Christus! Hiazt pfiat eng Alle Gott beinander; muaĂ eng heunt verlassn âŠââ In: Die österreichisch-ungarische Monarchie,
Band Niederösterreich, Wien 1888, S. 240. Siehe beiliegende CD I, track 1; CD II, track 1; CD III, track 1 und track 33.
WeXel oder Die Musik einer Landschaft
Das Geistliche Lied, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- WeXel oder Die Musik einer Landschaft
- Subtitle
- Das Geistliche Lied
- Volume
- 1
- Authors
- Erika Sieder
- Walter Deutsch
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79584-1
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 648
- Keywords
- Wechselgebiet, Geistliches Lied: LeichhĂŒatlieder, bĂ€uerliche Tradition der Totenwache, historische Tondokumente, Wörterbuch, Melodienincipits
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- AbkĂŒrzungen 10
- Zum vorliegenden Band 12
- Die Landschaft 18
- Der Totenbrauch 24
- 1. Die Totenwache 26
- 2. Das BegrÀbnis und das Totenmahl 33
- 3. Das Singen 38
- 4. Das Liedgut und seine Quellen 40
- 5. Die Liedgattungen 47
- Die Sammlung: Lei(ch)hĂŒat- / LeichwĂ„cht-Liadln â Lieder zur Totenwache 59
- Anmerkungen zur Edition der Lieder 60
- Johannes Leopold Mayer
- Zusammenfassung
- Register fĂŒr das Wechselgebiet und die angrenzenden Regionen in Niederösterreich und in der Steiermark
- Allgemeines Register
- a) Ortsregister 601
- b) Personenregister 607
- Sachregister 613
- Register der LiedanfÀnge, Sammelorte und Tonaufzeichnungen 618
- Inhaltsverzeichnis und Begleittext zu den beiliegenden Tondokumenten 629
- SĂ€ngerinnen, SĂ€nger und Vorbeter der Tonaufzeichnungen 630
- Inhaltsverzeichnis zu den beiliegenden CDs 632
- Autoren und Mitarbeiter 640