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besetzten. Nicht mehr als eiue Sage ist es, daß Schüler des heiligen Rudert hier ein
Betkirchlcin erbauten. Wir wissen nicht, ob Wien bewohnt war, als Karl der Große aus
dem eroberten Lande zwischen der Enns und den Anhöhen des Wienerwaldcs die Ostmark
bildete, als letztere zeitweilig in die Gewalt der Ungarn und nach dem entscheidenden
Siege der Deutschen über diese auf dem Lechfelde in die Verwaltung des Geschlechtes der
Babenberger kam. Nnr einmal, im Jahre 1030, erwähnen die Altaicher Annalen, daß
Wien von den Ungarn eingenommen wurde. Dann wird wieder durch ein Jahrhundert
nicht einmal seines Namens gedacht, obgleich schon alles Land diesseits der Leitha dauernd
mit dem deutschen Reiche vereinigt war, in uumittelbarer Nähe unserer Stadt baierische
und fränkische Ansiedler die Felder bebauten, die Karawanen der Kaufleute nach Ungarn
und dem Oriente zogen und auf dem Leopoldsberge die Markgrafen ihren Wohnsitz hatten.
Und doch erhielt sich im Volke die Überlieferung von dem Fortbestände Wiens. Nach dem
Nibelungenliede feierte König Etzel hier unter großem Andränge von Gästen sein Beilager
mit Chricmhilden: „Durch siebenzehn Tage dauerte die Hochzeit; von keinem Könige konnte
mau sagen, daß sie großartiger gewesen wäre."
Erst um die Mitte des XII. Jahrhunderts fällt der Schleier. Wie überraschend
lauten aber die Nachrichten in Chroniken und Urkunden über das damalige Wien! Alles
weist darauf hin, daß fchon damals auf der einstigen römischen Stätte reges Leben herrschte
und daß anf ihrem Boden ein Schwerpunkt für das Aufblühen deutscher Cultur geschaffen
worden war. In den Stadtmauern, welche längs der Goldschmiedgasse, dem alten Gerinne
der Als und des Ottakringerbachcs (dem tiefen Graben), der Salvatorgasse und der Roth-
gasse lagen, erhoben sich die Peterstirche, die Bethäuser zum heiligen Rupert, zu Maria
am Gestade und St. Pantratz, nahe dem tiefen Graben der Hof der Markgrafen. Schon
genügte diefer Raum nicht mehr zu neuen Ansiedlungen. Außerhalb der Mauern erhob sich
an der Ostseite das theuerste Wahrzeichen unserer Stadt, die Stefanskirche mit dem ihr
von dem Markgrafen Heinrich II. eingeräumten Rechte einer Haupt- und Mutterpfarre.
Derselbe Fürst übergab das Eigenthum über den Grundcomvlex im Westen der Stadt
zwifchen dem tiefen Graben und der Kirche St. Johann an der Als den aus Regens-
burg berufenen Schottenmönchen, welche hier ein Kloster mit einer Pilgerherberge und
einer Schule erbauten, die Niederlaffuugen von Handwerkern förderten und die Handels-
verbindungen mit Regensburg enger knüpften. War doch Wien ein dnrch seine Lage
begünstigtes Stück Erde! Auen und Wälder boten der Jagd, der von Gewässern durch-
schnittene Boden dem Ackerbau und der Viehzucht und die gegen Westen und Süden
terrassenförmig sich erhebenden Höhen dem Weinbau lohnenden Ertrag. Die Donau und
die sich hier und in nächster Nähe kreuzenden Straßenzüge nach Deutschland, Uugarn,
Italien, Mähren und Polen begünstigten den Waarenaustausch der Kaufleute.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277