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setzten sich in den niedergebrannten Häusern die Büchsenschützen fest und unterhielten
Tag für Tag das heftigste Feuer gegen die Burg. Inzwischen hatte auch Graf Salm,
unterstützt von dem Pfalzgrafen Philipp, den Herren von Rogcndorf, Eck von Reischach,
Leonhart von Fels und anderen IIiiterconinicmdanten, energische Vorkehrungen getroffen.
Kaiserliche, Deutsche, Spanier und die Fähnleins der Bürger standen an den Haupt--
punkten, nnt Ausdauer und Wachsamkeit alle Angriffe zurückweisend. Fast täglich unter-
nommene Ausfälle, zum Theil unter persönlicher Führung des Grafen Salm, suchten den
Feind zu ermüden, Mahnungen und Drohungen des Sultans zur Übergabe der Stadt
blieben unbeantwortet. Immer heftiger wurde das Feuer der Geschütze, immer näher
rückte der Zeitpunkt des Sturmes heran. Mit begeisterter Hingebung gelobten aber die
Belagerten, die lehte Bresche zu vertheidigen, den letzten Mann der heiligen Sache der
Religion, der Cultur nnd Freiheit zu oftfern. Mißmnthig über den hartnäckigen Widerstand
machte der Sultan am 12. Ocwber den letzten, halbverzweifelten Sturmangriff zwischen
dem Kärntner- und Ttnbenthor. Nach dem Einsturz der Stadtmauer traten die Deutschen
uud die Spanier in geschlossenen Reihen vor und bildeten mit ihren Leibern eine
unerschütterliche Wehr. Am heftigsten wüthete der Kampf beim Kärntnerthor, wo Reischach
und Rogendorf auf den zerstörten Zinnen und Brustwehren commandirten. Infolge so
unerschütterten Opfermuthes blieb auch der letzte Versuch, die Stadt zu erstürmen, vergeblich
und es erübrigte Suleymann, dessen Lage überdies durch die bevorstehende schlechte
Jahreszeit, die Verzagtheit seiner Kriegsleute und den Mangel an Proviant schlimm
geworden war, nichts als die Belagerung aufzuheben. Unter Geheul und Lärmen und nach
der Ermordung von 2,000 Gefangenen traten die Türken den Rückzug an. Wien uud mit
ihm die Erblande und Deutschland waren gerettet. „Denn hätt' der Türke", schreibt
Stern von Labach, ein Augenzeuge der Belagerung, „Wien erobert, so wäre er noch in
diesem Jahre in die oberen deutschen Lande gedrungen und hätte alles verbrannt und
verdorben,"
Wie groß anch die Verluste au Habe und Wohlstand durch die erste Türkenbelagerung
waren, so wären sie doch leicht wieder zu erfetzen gcwcfen, wenn die heldenmüthige
Abwehr jede weitere Gefahr für Wien beseitigt hätte. Seit dieser Zeit war aber unsere
Stadt in steter Bedrängniß, der Zerstörung durch die Türken anheimzufallen. Die Haltung
der religiösen und nationalen Parteien in Ungarn und Siebenbürgen und der Mangel au
Geld und Truppen hinderten, daß die Türken dauernd an die untere Douau zurück-
geworfen wurden. Einen großen Theil Ungarns beherrfchend, erneuerten sie fort und
fort den Krieg, bald im offenen, bald im geheimen Einverständnisse mit Frankreich; sie
beherrschten die österreichische und die deutsche Politik durch mehr als ein Jahrhundert
und hemmten die innere Befestigung des Reiches und der Macht der Habsburger in den
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277