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Die bezüglichen Bauten dürften in den meisten Fällen von sehr bescheidener Art gewesen
sein. Ein großer Theil derselben fällt in eine Zeit, während welcher in unserer Gegend der
romanische Stil über seine Blüte hinaus war und bereits der Einwirkung des neu auf-
tretenden gothischen Stiles nicht mehr Widerstand leisten tonnte. Bauten im eigentlichen
romanischen Stile dürfte daher Wien kaum je viele, geschweige denn hervorragende besessen
haben. Die Zeit dieses und des sogenannten Übergangsstiles repräscutirt sich uns nur in
zwei, aber sehr beachtenswerthen Werken, das ist an einzelnen Partien in, Mitteltracte der
Fac.ade der Et. Stefanstirche und in der St. Michaelskirche.
Die zahlreichen geistlichen Stiftungen des XIV. Jahrhunderts und das Erblühen
einiger Klöster gaben dem gothischen Stile Gelegenheit, durch Neubauten sich geltend zu
machen; doch nur in recht wenigen Fällen konnte er seine Pracht und seinen dewrativen
Reichthum entfalten. SolchcBautcn sind das Langhaus sammt Querschiff und Prcsbyterium,
die Anlagen der Seitenthürme des Wiener Domes, die Maria-Stiegentirche, die Salvator-
kapelle, die Kirchen des Deutschen und des Iohanniter-Ordens, die der Carmeliten,
Minoriten und Augustiner, die Erweiterungsbauten an der ehemaligen Peterskirche, dann
die am Presbyterium und der Thurmbau der Michaelskirche.
Das XV. Jahrhundert schuf wenig Neues, es setzte vielmehr die Bauten de» vorher-
gegangenen Jahrhunderts fort oder brachte sie zum Abschluß. Die Spätgothik erscheint
daher in Wien in keinem größeren Werke selbständig; in diese Zeit fallen die Schluß-
bauten der Michaelskirche und die fchon besprochene Burgkapelle.
Von allen diesen bisher «wähnten Bauten seien nachstehende eingehender besprochen:
Die Michaelslirche entstand um 1219 und wurde von Herzog Leopold dem Glor-
reichen im Jahre 1221 zur Pfarrkirche für die in der nahegelegenen neuen Herzogsburg
befindlichen Diener und das Gesinde, dann für alle, die sich in der Nähe anbauten,
bestimmt. Von Fenersbrünsten wiederholt und arg heimgesucht, hatte sie in einigen Theilen
wohl stark gelitten, die alsdann im Geiste des herrschenden Stiles hergestellt wurden; auch
geschahen noch andere bauliche Veränderungen. Dessenungeachtet ist sie bis heute in der
ursprünglichen Gestaltung fast ganz erhalten geblieben und refträsentirt den ältesten nahezu
completen kirchlichen Bau Wiens in den ernsten Formen des romanischen Stiles. Sie besteht
aus einem dreischifstgen Langhause mit hohem Mittelschiffe und niedrigen Abseiten, jedes
Schiff zu fünf Jochen und einem aus drei vorspringenden Quadraten zusammengesetzten
Querschiffe. Unter dem ganzen Baue befiudet sich die geräumige Kryftte. In den Gewölben
mit Krenzrippenanlagen und in den Arcaden herrscht der gedrückte Spitzbogen, die Pfeiler
sind kräftig gegliedert und mit bisweilen herrlich dccorirten romanischen Capitalen versehen.
An dem altersgrauen Steinbaue der Außenseite d(s Langhauses fällt die charakteristisch
romanische Decoration auf. 1288 entstand in der Verlängerung des rechten Seitenschiffes
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277