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Bei dein Brande 1276 wurde das Kirchengcbäude in feinen Gewölben beschädigt,
und dies mag ein Hauptgrund zum Neubanc des Domes gewesen sein, da wir aus den
Jahren 1300. 1302 und 1330 wissen, daß am Chor gebaut wurde. Unter Albrecht dcm
Weisen (1340) wurde der neue, das ist der jetzige Chor eingeweiht; Rudolf lV. war der
Begründer und Förderer des Neubaues, welcher das heutige Langhaus mit den Thürmen
umfaßt, wozu er 1359 deu Grundstein lcgtc. Meister Weuezla aus Klostcrneubiirg war
zu jener Zeit Dombaumeister und wird als der geistige Urheber nnd Leiter dieses Baues
bezeichnet. Aus vielen Anzeichen läßt sich erkennen, daß der Neubau mit dem Hochthurme
beginnend allmälig das alte Langhaus umfaßte, welches zur Abhaltung des Gottes-
dienstes geschont wurde und mit dem Baue des nördlichen Halbthurmes endigte. Als
weitere Meister werden genannt: Ulrich Hclbling, Hans von Prachatic, der 1433 den
Hochthurm vollendete und Hans Pnchsbcmm, der 1446 das Langhaus einwölbte. 1450
wurde der Grundstein znm nördlichen Thurme gelegt, der jedoch in seinem Baue wenig
gefördert uud 1562 in seiner heutigen Gestaltung abgeschlossen wnrde.
Die Unbilden der Zeit machten sich auch am St. Stefansdome geltend und
bedingten eine Reihe von mehr oder minder umfassenden Restaurationen, welche in die
Gegenwart hereinreichen. In den Jahren 1839 bis 1842 wnrde unter Hofbaurath Sprenger
die gekrümmte Spitze des hohen Thurmes abgetragen und durch eine Coustruction aus
Stein undEisen erseht. TombaumeisterLeoftoldErnst erbaute in denIahren 1853 bis 1856
die prachtvollen Giebel des Langhauses nach dem Vorbilde des einzigen vorhandenen
Giebels auf der Südseite und begann 1861 den Wiederaufbau des wegen Baufälligkeit
gänzlich abgetragenen Thurmhelmes. Seit 1862 leitet Tonibaumeistcr Friedrich Schmidt
die Arbeiten der Wiederherstellung, welche nach Abschluß des Hochthurmbaucs (1864) und
Vollendung des Äußeren des Domes sich dem Inneren desselben zuwendete. Die Gesummt-
länge des Hallenbaues erreicht 109 Meter, das Mittelschiff ist circa 10 Meter, jedes
Seitenschiff circa 9 Meter breit, die Mittelfchiffshöhe beträgt 27 Mcter. Der ausgebaute
Thurm erreicht eine Höhe von circa 139 Meter.
Mächtig und überwältigend stellt sich das Innere der Kirche dar. Heilige Weihe
ergreift den Besucher beim Betreten der matt erhellten Räume des weitläufigen Baues,
dann die größten Ereignisse Österreichs stets ihren Wiederhall iu Gebet und Andacht
fanden. Ungewöhnlich und eigenartig iu jeder Hinsicht ist dieser Raum, welcher nicht nach
fchematischen Regeln, sondern aus freier künstlerifchcr Empfindung mit zielbewußter Sicher-
heit gestaltet zu sein scheint. Und iu Wahrheit ist dem auch so, deun der Baumeister des
Chors fo gut wie Meister Wenczla und seine Nachfolger konnten sich nicht an gewisse
Gefetze binden, da sie sich mit ihren Entwürfen an vorhandene Bautheile anschließen mußten,
woraus dann in dem natürlichen Streben, das Neue mit dcm Alte« zu einem harmonischen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277