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abhold sei, Hai bei ihm eine glänzende Widerlegung erfahren. Die einzelnen Theile des
ungeheueren Gebäudecomplexes wurden verschiedenen Architekten zur Ausführung über-
tragen, aber ein gemeinsamer Stil, von ausgesprochen romanisch-byzantinischem Gepräge,
als maßgebend für das Ganze bestimmt, welches als reiner Materialbau uuter Anwendung
aller ncnen Fortschritte der Ziegeltechnit und Eiseneonstruetion zu behaudeln war. Die
Architekten van der Nul l uud Siccardsburg erhielten das Kommandanturgebäude
und die sonstigen Umfassungs- und Wertstattb anten, niit Ausnahme der mittleren Kaserne
an der Rückseite und der von ihr umschlossenen Kapelle, welche Rösner übernahm; das
Waffennmseiim wurde Förster und Hansen übertragen, doch von dem Letzteren allein
ausgeführt. Hat man schon in demKommandanturgebände van der Nulls und Siccardsbnrgs
ein wahrhaft künstlerisch gedachtes Wert von charakteristischem Gepräge vor sich, fo erhebt
sich volleuds Hansens Waffenmnscum zu einer der originellsten und reichsten Schöpfungen
der modernen Architektur überhaupt. Der byzantinische Stil, den Hansen schon bei den
kleinen Kuppelbauten der griechischen Kirche und der evangelische» Friedhofstapelle mit
Glück angewendet hatte, gewanu hier durch die Verschmelzung mit arabischen Elementen,
durch das Zusammenwirken vou Gold und farbeuglühender Malerei, besonders im Treppen-
haus und in dem großen Knppelsaal des Mittelbaues, eine Wirkung von berauschender Pracht.
Es war jedoch nöthig, daß all der Aufwand von Kunst uud Reichthum, der sich bis
dahin meist an entlegenen oder weltentrückten Stätten entwickelt hatte, nun auch in die
eigentlichen Lebensadern der modernen Stadt eingeleitet ward, um dem Wien unserer
Tage seine Physiognomie zu verleihen. Dies geschah durch den Ausbau der Ringstraße.
Man mag bedauern, daß bei der Feststellung ihres Planes auf den Gesammtuerballungs-
plan der Stadt mit Inbegriff der Vorstädte und Vororte nicht gebührend Rücksicht
genommen worden ist. Auch kann man finden, daß dem bnreautratifchen Regime der ver-
gangenen Zeit auf die Gestaltung des neueu großartige» Ganzen immer noch ein allzu
maßgebender Einfluß eingeräumt wurde; nichtsdestoweniger bleibt das jetzt im Wesent-
lichen abgeschlossene Wert dieser stolzen Reihe von Monumentalbauten und Wohupalästcn
eine Schöpfung ohue Gleichen in der neueren Ärchitetturgeschichte. Uud zwar eine
Schöpfung von durchaus individuellem Reiz, vou ausschließlich der Kaiscrstadt an der
Donau eigenthümlichem Gepräge.
Die Monumentalbauten sind der Anker, durch welcheu das moderne Wien an den
großen Entwicklungsgang der curopäischcu Knust gekettet ist. Keiu Bestandtheil fehlt
hier, der zur Vollständigkeit der Prachtrüstung einer Großstadt des XIX. Jahrhunderts
nöthig wäre. Die Cultur uuserer Epoche fußt nicht nur auf der unmittelbar vorher-
gegangenen Zeit, sondern ans dem vielfach abgestuften Sockel von Jahrtausenden. Die
Geschichte der modernen Architektur gleicht einem großen Repetitorium aller Baustile. Aber
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277