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gegenüber. Die Schöpfungen eines Palladio und Scamozzi, eines Saugallo und Michel-
angelo haben bei seiner Gestaltung, vornehmlich bei der Conception des grandiosen
Hallenhofes und der Treppeuräume, dem Meister vor der Seele gestanden. Zugleich aber
ist dem Werte, wie alleu Bauten Ferstels, ein Zug von natürlicher Grazie nachzurühmen,
ein Hauch echt wienerischer Eigenart, etwas vou jener Musik der Sprache, die aus
Grillparzers Versen tönt. Die vierte Seite des großen Platzes gegenüber dem Rathhause
schmückt das eben in der Vollendung begriffene neue Burgtheater, welches von Baron
Hasenauer nach einem von ihm uud Semper gemeinsam ausgearbeiteten Projeet erbaut
wurde. Es ist die reifste Frucht der moderuen Entwicklung des Theaterbanes, als dessen
Reformator Sempcr dasteht: ein Werk von klarer, den Zweck jedes Theiles bestimmt
ausdrückender Mafsengliederuug, im Rücken das mächtige Bühnenhaus, vorne der
Zuschauerraum, in Eegmcntform sich herausbaucno, die Treppen als Flügel entwickelt,
die nach rechts und links weit ausgreifen und die Wirkung der Fa^ade bedeutend erhöhen.
In der Architektur der Hauvtfrontc verbindet sich die Orduung Michelangelos von den
Bauten des Cavitolsplatzes mit reicher plastischer Ornamentik zn einem Gefammteffeet von
festlich heiterer Pracht. (Siehe Abbildung bei „Theater iu Wien,")
T>ie glänzende Schließe des Palastgürtels der Ringstraße bildet die Gruppe der
Hofmuseen und der neuen Hofburg, welche uach den Plänen derselben beiden Architekten
im Bau begriffen ist. Der südlicheTheil des kolossalen Gebäudeeomplexes, das Zwillingspaar
der beiden Museen für die tuust- und die naturhistorischen Sammlungen des Allerhöchsten
Kaiserhauses, steht in seinem Äußeren vollendet da. Ein gekröntes Concurrenzpruject von
Hasenauer liegt zu Grunde; in vierjähriger gemeinsamer Arbeit mit Scmver gewann
dasselbe seine endgiltige Gestalt; die Bauausführung leitete Hasenauer, Über mächtigem
Rusticalsockel erhebt sich das au Sanmicchelis Palaftfronten erinnernde Hauptgeschoß;
den Mittelbau bekrönt je eine schlanke Kuppel, vou vier kleinen, vauillonartigen Thurm-
trabanteu umgeben; zierliches Ornament, Inschrifttafeln und Statuenreihcn beleben die
stolzen Massen und weisen auf ihre Bestimmung sinnvoll hin. Die Mitte des Platzes
zwischen den beiden Museen wird das Denkmal der Kaiserin Maria Theresia zieren.
Abschluß uud Bckrönung erhält das Ganze durch den erst begonneneu neuen Burgbau,
eine nach Art des Trajansforums gedachte Anlage, welche mit zwei segmeutförmig
eingebogenen Palastfronteu sich im Nucken der Reiterdeukmäler des Prinzen Eugcu und
des Erzherzogs Karl im rechten Winkel gegen die Ringstraße vorschiebt und in einem
Mitteltract mit dominirender Kuppel ihren Abschlnß finden soll. Der von Fischer Uon
Erlach begonnene Theil der Hofburg wird im Zusammenhange mit diesen neuen Flügeln
zu seinem endlichen Ausbau kommen. Es ergibt sich aus der Natur der Aufgabe, daß bei
der Durchführung des modernen Aurgbaues auch der Stil Fischer vo« Erlachs mit in
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277