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Rechnung gezogen werde» muß. Wir sehen somit die Wiener Architektur bei dieser ihrer
letzten großartigen Schöpfung wieder auf dem Höhepunkte augelangt, welchen die Kirchen-
bauten und Paläste des Wiener Hauptmeisters der Barockzeit repräsentiren.
Es wird nicht Wunder nehmen, daß auch die Wiener Privatarchitcktur im Großen
und Ganzen die nämliche Bahn verfolgt, welche der Monumentalbau eingeschlagen hat.
Nur daß sich bei ihr locales Bedürfniß und Zeitgeschmack energischer geltend machen als
in den höheren architektonischen Sphären.
Im Beginn der Stadterweiteruna. träumte man von einer möglichen Rettung des
Familicnhauses, nach deutschem oder englischem System, auch für das neuc Wien. Ferstel
trat, im Verein mit Eitelberger, dnrch That und Wort für die Sache ein; fein Haus am
Franz Iosephs-Quai gibt ein Beispiel dessen, was er wollte. Nnr außerhalb der Stadt, in
den freundlichen Familicnhäufcrn des Cottagev crcin s in Währing, welcher uach Ferstels
Vorgang jetzt unter Schmidts Ägide feine erfolgreiche Thätigkeit entfaltet, hat sich der
Gedanke mit Erfolg verwirklichen lafscn. Die Baugründe der Stadtcrweitcruna. botcu ihm
keinen Raum. Hier erhoben sich in ununterbrochenen Linien die „Zinspaläste" als steinerne
Zeugeu der modernen Gcldhcrrschaft. Die Gefahr lag nahe, daß der öde Specnlationsbau
sich der gefammten Wiener Priuatarchitektur bemächtigte. Es ist das Verdienst unserer
Architekten, das drohende Unheil abgewehrt und im entscheidenden Augenblicke der Kunst
auch im Wohuhausbau zur Herrschaft oerholfen zu haben,
Epocheniachend steht in dieser Hinsicht vor allem Hansens Heiurichshof da. die
Grüuduug Heiurich vo» Drasche's; in ihm sehen wir einen riesigen Eomplex großer.
vierstöckiger Zinshäuser dnrch Massengliedernng und edlen Schmuck iu ein wahrhaftes
Kunstwerk umgewandelt, welches den Charakter feiner Bestimmung und seiner Zeit nirgends
verleugnet, dabei aber Jedermann entzückt dnrch sein echt großstädtisches, heiteres und
glänzendes Gepräge. Das Mutiu des Heinrichshofes, die Anordnung vo» Eckthürmcn und
Mittclrifalilen. die Durchbildung der Fanden in verputztem Ziegelbau mit vortrefflich
ausgeführtem Terracottaschmnck, die wirkungsvolle Auweuduug von Farbe nnd Gold.
sind für zahlreiche ähnliche Wiener Neubauten vorbildlich gewurdeu. Besonders am Schotten-
ring finden sich mehrere Varietäten gleicher Gattuug. Auch das Haus des österreichischen
Ingenieur-nnd Archilekicnvcrcins von Thiencmaun gehört in diesen Zusammcuhana,.
Andere Versnche der Bewältigung umfangreicherer Gebändemasfen bieten desselben
Architekten Grabenhof nnd das Kommandanturgebäude von Duderer; hier erscheint als
Hauptmotiv die fönst nnr felten angewendete Eäuleustellung. ^ Neben dcm Grnppenbau
nnd der größeren Masscnarcknlcttur erhielt dann auch der einzelne Palast seine künstlerische
Physiognomie. Hier sind namentlich die Banten Schwendenweins nud Nomauos mit
Auszeichnung zu nennen: das adelige Casino am Kolowratring, das frühere Palais
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277