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Schilderung dcs Wiener Mnsitlebens gewiß unvollständig bliebe. Das sind die Militar-
mnsik, die Tanzmnsik und schließlich die Voltssänger.
Die österreichische Militärmusik, wohl die vorzüglichste der Welt, datirt ihren
Ruhm nicht erst aus Radetzkys Hauptquartier oder uou der Pariser Weltansstellung 1867.
Kein Zweifel jedoch, daß mit den unserer Epoche angehörigen Verbesserungen der Vlas-
instinnicnte auch die Leistungen der österreichischen Militärinusik noch vollkommener
geworden sind. Die friedlichen Eroberuugeu, welche unsere Armee mit dem Clarinett
macht statt mit dem Bajouuett, sind wahrlich nicht die letzten. Auf Flügeln der Harmonie-
mnsit ist gar oft schon österreichisches Militär in die Herzen ganzer Beuölkeruuge»
eingezogen. Indem die Regimentsmusik Vorzugsweife angewiesen ist, im Freien zu spielen,
hat sie stets die zahlreichste nnd empfänglichste Hörerschaft. Es gibt keinen Kunstgenuß,
der in so hohem Grade demokratisch heißen kann als das Spiel der Militärbandcn. Da
darf ein Jeder theilnehmen, ohne Eintrittsgeld und Salontoilette — haben doch Tausende
von Musitbedürftigen, die weder das Eine, noch das Andere besitzen, sich oft glücklich
gefühlt, ihre Concerte unter freiem Himmel zu finden. Selbst in den musikrcichstcu
Hauptstädten äußert sich die Liebe der Bellölkeruug für die Regimcntsmufik fo auffallend,
daß ihre Klänge alle Fenster aufgehen machen und Hunderte musikalischer Peripatctiker
nach fich ziehen. In Wien ist tagtäglich der Platz vor der Hufburgwache lang vor der
Mittagsstunde, welche die ersehnten Klänge bringt, dicht bcfcht, nnd wenn die Regiments'
mnslt dann mit klingendem Spiele in ihre Kaferne znrückmarschirt — welch ein heiterer,
ergötzlicher Anblick: die große, dankbare Menschenmenge, welche ^>or und hinter dem
Orchester im Tacte mitmarfchirt! Ein eigenes Wiener Volkslied uon der „Nnrgmnsit"
besingt die Freuden diefes musikalischen Epazierganges.
Und nun von der Militärmnstt znr Tanzmnsik, dieser zweiten weltberühmten
Specialität Wiens! Wer waren von Hans aus Strauß und Lanner, die den Wiener
Walzer ganz eigentlich geschaffen haben? Zwei „Lehrbuben" aus der ärmeren Vorstadt-
bevölkerung Wiens — der eiuc zum Buchbiudergescllen, der andere zum Handschuh-
macher bestimmt -^ beide ohne regelmäßigen Musikunterricht, heimlich auf dem Dachboden
ihre Violinübnngen treibend! An gnter Tanzmusik hat es Wien uie gefehlt, liegt doch die
Neiguug und das Talent dafür uuvcrkeuubar im Österreicher. Schon „als der Großvater
die Großmutter nahm", wußte jeder Wieuer Vorgeiger feinen Läudler zu erfinden.
Anderseits haben die größten Meister, ein Mozart nnd Beethoven es nicht verschmäht,
Tänze zu schreiben für die Wiener „Redoutenbälle". Aber erst als Strauß und Lanner
mit ihrem kleinen, anfangs nur fünf bis fechs Mann starken Orchester und ihren
hinreißenden Walzermelodien die bescheidenen Vorstadtbälle beim „Sperl" und der
„Goldenen Birne" belebten, brach eine neue Epoche der Tanzmusik an. Aus den kleinen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277