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er erschien 1749 in Wien und selbst bei Hofe, aber sein Besuch hatte nicht die gewünschte
Folge nnd Wien hatte ein Jahrzehnt später in Sonnenfels einen Mann moderneren
Zuschnittes, welcher ihm Gottsched nnd Nicolai in einer Person werden sollte.
Von der größten Bedeutung für die weitere Entwicklung unserer Literatur wurde
der siebenjährige Krieg. Seit jeher hat das österreichische Militär in den höheren und
niederen Gliedern der deutschen Sprache und Literatur Liebe und Theilnahme in hohen»
Maße entgegengebracht. Die Zahl der österreichischen Dichter, welche den, Militär dauernd
oder vorübergehend angehörten, ist Legion. Der Aufenthalt österreichischer Truppe» in
Deutschland hat während des siebenjährigen Krieges zuerst der Überzeugung Bahn
gebrochen, daß man in geistigen Dingen dem Auslande gegenüber zurück sei, daß man uon
den Dentschen im Neiche zu lernen habe. Mit Bewilligung der Kaiserin schickten hohe
Adelige ihre Söhne zum Studium an deutsche Universitäten, Geliert wurde der Mentor
Österreichs so ant wie Deutschlands, Die Begeisterung für den redseligen, allzu weicheu
Manu brachten die Soldaten jeder Charge aus Deutschland mit in ihr Vaterland zurück und
bahnten eine neue und innigere Verbindung mit der deutscheu Literatur an, als seit
Jahrhunderten bestauben halte. Nun begaun es auch in Wien allenthalben sich zu regen.
Was zehn Jahre früher unmöglich gewesen war, das trat am Beginne der Sechziger-Jahre
sichtbar vor die Augen: eine gelehrte deutsche Gesellschaft wurde uon Riegger gegründet uud
zählte So»nenfcls zn ihren Mitgliedern. Nach dem Muster der deutschen Wochenschriften
erschienen nun „die Welt" vou Klemm und Heufeld und „der Mann ohne Vorurtheil"
Uon Sonnenfels, Zeitschriften, in welchen man die Säuberung der Schaubühne von den
Roheiten des Hans Wnrst nnd den Hafuer'fchen Plattheiten zum Hauptaugenmerke nahm,
wie denn Klemm nnd Heufeld auch die hervorragendsten Dichter regelmäßiger Stücke waren.
Sonuenfels aber, ein Mann uon strebendem Ehrgeize, furchtlos und fchouuugslos gegcu
alles, was die Aufklärung als Vorurtheil bezeichnete, verstand sich znm Mittelpunkte der
literarischen Tendenzen zn machen und organisirte, seit Josef II. Antheil au der Regierung
nahm, im Sinne der Josefinischen Reformen Theater und Literatur.
Dieselbe Rührigkeit und Hast, welche Sonnenfcls entfaltete, kennzeichnet die öster-
reichische Literatur der Zeit überhaupt. Das Selbstbewußtsein war geschwellt: man glanbte
dem Auslande, Uon dem man noch eben gelernt hatte, bald um Meilenweile voraus zu
sein. Der Gedanke einer Akademie wurde mehrmals wieder aufgenommen: Klopslock nnd
Lessing follten berufen werden, Wieland richtete seine Blicke nach Wien, Aber die Bernfuug
eines mittelmäßigen Literaten aus Erfurt, der seine Erwartungen nicht befriedigt fand,
brachte in Deutschland eben so schnell wieder Enttäuschung hervor. Die Tagesliteratur
florirte iu Wieu eine kurze Zeit, um ebenfo rasch wieder abzublühen. Das Jahr 1766
brachte in vier Monaten 27 neue Wochenschriften an den Tag und die Flut der
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277