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Schauspielkunst uud Dichtung mehr als anderswo in die Hände der Schauspieler über
und die Stücke der Jünger und Kotzebuc, welche man als Theaterdichter berief, waren
eher eine Förderung als ein Gegengewicht gegen diese Richtung, Aber daß dein idealen
Drama dadurch eher ein gesnnder Boden geschaffen, als der Weg znr Bühne versperrt
war, zeigen die Erfolge, welche Heinrich von Coll in, der bedeutendste Dramatiker
Nieder«fterreichs vor Grillparzer, mit demselben errungen hat. Während Ayrenhoff noch
immer gegen das verhaßte Naturprinnp eiferte, suchte Colliu mit Bewußtsein nnd Abficht
die Verbindung von Schönheit nnd Wahrheit, von Natürlichkeit und Regelmäßigkeit.
Er ging vom Rührstücke aus nnd schwang sich dann mit einem Male zur hohen Tragödie
empor, welche staatsbürgerliche Tugend verherrlicht. Seine Charaktere, die er meist ans dem
Alterthume nimmt, sind voll würdiger und männlicher Gesiuuuuge», seine Sprache ist
nicht frei von rhetorischem Pruuke, aber kräftig und wohlklingend. Er verleugnet nirgends
den gebildeten Dichter, aber die Ausführung seiner Dramen ist mager, die Handlung
dürftig. Ihm hat nicht der Naturalismus, sundern die Nachwirkung Ayrenhoffs nach-
haltige Erfolge entzogen.
Ans die Periode der Anftlärnng folgt in Niederösterreich nnmittelbar die Zeit der
Romantik. Die Flegeljahre des Stnrmcs uud Dranges und die revolutionären Anfänge
der Schlegel haben keiu Analogon in dem geistigen Leben Niederösterreichs. Unmittelbar
nach Josefs Tode trat eine rückläufige Bewegung ein; der Exjesnit L. A. Hoffnmnn
als Herausgeber der „Wiener Zeitschrift" vertrat dieselbe auf dem literarifcheu Gebiete.
Die Feinde der in ihren Tendenzen damals freilich bereits überlebten nnd eigensinnig
gewordenen Anftlärnng gewöhnten sich allmälig daran, ihre Blicke nach Wien zu richteu.
Torthiu war schon 1792 Johannes von Müller, der Geschichtschreiber der Schweiz,
berufen worden; seit 1802 staud auch Gentz in österreichischen Diensten. Fast die ganze
romantische Schule folgte ihm nach nnd erwählte Wien zum daueruden oder vorüber-
gehende,, Aufenthalte. Nach einander hielten hier die Brüder Schlegel und A. Müller
nnter ausdrücklicher Bewilligung des Kaisers nnd vor einem aus dc» höchsten und
gebildetsten Kreisen Wiens bestehenden Pnblicum ihre Vorlesungen über die verschiedensten
Zweige der romantischen Doctrin. Vorübergehend lebten Tieck, Loeben, Brentano, beide
Eichendorff in der Kaiserstadt und W. von Humboldt hielt als preußischer Gesandter ein
gastfreies Haus für Einheimische und Fremde. Die Frauen trateu, wie überall, wo der
romantische Geist wehte, in der Gesellschaft nnd in der Literatur wieder stärker in den
Vordergrund, Dorothea vou Schlegel nnd Helmina von Chezu verpflanzten den Ton der
Berliner nnd Pariser Salons nach Wien, wo sich auch Sophie Bernhardi, die Schwester
Tiecks, eine Zeit lang aufhielt; Regina Frohberg, eine Berliner Jüdin uud Converlilin,
spielte eine hervorragende Rolle in der Gesellschaft; Frau von Pichler und Iosefine
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277