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die politischen Verhältnisse niedergeschlagenen Zxhörcr hatte W. Schlegel in dcr letzten
seiner Vorlesungen nationale Stoffe fur die historische Tragödie empfohlen und die
Aufmerksamkeit hauptsächlich ans den ritterlich glänzenden Zeitraum des Hauses Hohen-
staufen und eudlich auf die politisch wichtigeren und uns am nächsten liegenden des Hauses
Habsburg gelenkt, das so uiele grüße Fürsten und Helden erzeugt habe. Schlegel selbst
veröffentlichte die Lieder der Minnesänger, welche Rndolf von Habsburg besänge», und
Hormayers Tafchenbuch und Archiv boten sich den suchenden Dichtern als eine wahre
Fundgrube nationaler nnd patriotischer Stoffe dar. H. uon Collin ließ die Römerhelden
liegen nnd dichtete Balladen aus der Habsburg'schcn Hausgcschichte; sein Bruder
Matlhäns und Karoliiie Greiner-Pichler griffen auf die Zeiten der Babenberger zurück
und führten diese Stoffe auch in das Drama uud in deu Noman ein. Unzählige Gedichte
besangen bis in die Vierziger-Jahre die Habsburger oder heroische Momente iu der
Geschichte des Vaterlandes. Zn ihnen gehört anch „Zriny" von Korner, dessen bedeutendste
Dramen überhaupt ihre Entstehung dein Aufenthalte in Wien und dem Verhältnisse zur
Hofbühne verdanken. Wenig Erfolg hatte dagegen die Propaganda, welche Z. Werner
und F. Schlegel für katholische Stoffe und die geistliche Dichtung machten; weder A. Passy
noch Peter Tilbert haben dieselbe zu bedeutender Höhe gebracht und nur Enk von der Burg
hat von hier aus den Weg zur Antike gesucht, ans welchem sein Talent verunglückt ist.
Deu Einfluß der Rumantik erkennen wir auch, wenn Frauz Ziska nunmehr die
österreichischen Volkslieder und Volksmärchen zu sammeln sucht, oder wenn Schütz mit
seinen „Versuchen eines Wiener Naturdichters" hervortritt. Hier setzt auch die Dialect-
dichtung uumittelbar ein, welche ihre höchste Blüte auf dem Volkstheater, in den
unsterblichen Dichtungen Raimunds erlebten und gehören ihr zur Hälfte auch die Dichter
an, welche bis in die Dreißiger-Jahre als der specifische Ausdruck des Österreicherthums
galten, weil sie die Lust und Fröhlichkeit ihres Stammes iu leichten Formen wiederzugeben
verstanden. Als gute Patrioten, gemüthliche Männer und unwiderstehliche Spaßvögel
waren sie überall gerne gesehen und gehört und machten es sich in allen Dichtungs-
gattungen bequem. Ihr Hanvlvertreter ist Castelli. welchen Menzel den österreichischen
Anakreon genannt hat. Seine „herzigen" Lieder erreichten einen seltenen Grad von
Popularität; am besten gelang ihm die hnmoriftische Erzählung, welche keine großen
Anforderungen an Kunstfertigkeil stellt. Er ist auch der Begründer eines besonders uon
der culturhistorischeu Seite wichtigen Zweiges der Literatur i der Skizzen ans dem Wiener
Leben, in welchem er bis in die neueste Zeit au F. Gräffer, I, Schlager, Fr. Schlögl,
Ed. Pötzl. V. Chiavacci und anderen Nachfolger gefunden hat. Ei« Dichter in der-
selben Manier, aber gebildeter in Sprache und Vers. welche beide Castelli unverzeihlich
vernachlässigte, ist I. G. Seidl, der nicht blos die leichtblütige Art, sondern auch das
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277