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uud spauischer Tragödieu liefcrtcu uud namentlich mit den ersteren sich ein Vermöge»
erwarben. Talente, welche über das Theatralische hinans nach dem Poetischen strebten, wie
Nell, Paimasch, Brann von Braunthal und andere in der Tragödie, Feuchterslebeii im
Alexaudriucrlustspiel konnten dagegen nicht anfkommen, nnd standen nach mehreren oft
nicht unrühmlichen Versuchen ab. Anch in Bezug ans die Gattungen kam man nicht viel
weiter; mdirect beherrschte noch immer Iffland das Repertoire, bis Müllners Lustspiele
und Schicksalstragödien hier ihre besten Erfolge errangen und das Trama in Ludwig
vou Deinhardstein, Freiherr von Zedlih, Friedrich Halm uud Anderen seine begabtesten
Vertreter fand. Eine noch zu wenig beachtete Specialität der Wiener Dramatiker bilden
die Operntexte, welche zum Theile wieder gut machten, was der Verfasser des Textbuches
zur Zanberstöte gesündigt hat, und in leicht erklärlichem Zusammenhange mit der
Entwicklung der musikalischen Kuust in Nicderösterreich standen: Weber, Spoutini,
Belliui, Krentzer nnd Andere haben in F. A. Kanne, F. Seyfried und H. von Ehezy
geschickte Mitarbeiter gefnndeu uud selbst Grillparzer hat es nicht verschmäht, einen
Operntext zu schreiben. Aus diesen wenig erfreulichen dramatischen Zuständen sind
nichtsdestoweniger zwei hervorragende Vertreter des ernsten nnd heiteren Drama hervor-
gegangen, welche mit ihren» tiefsten Wcseu im heimischen Boden wnrzeln. Der Gegensah
des leichtblütigen und schwerblütigen Wieners, welchen auf eiuer tieferen Stufe der
Nildung Castelli und Raimund repräsentiren, kehrt in Bauerufeld und Grillparzer
wieder. Der erstere hat die Lebenslust nnd den Frohsinn des Wieners in der besseren
Gesellschaft aufgesucht und ihnen deu vornehmsten uud edelsten Ausdruck verliehen; der
andere ist der erste Österreicher der neueren Zeit. welcher die Tiefen des Seelenlebens
eröffnet nud die Tragik des Herzens ergründet hat. Ihr Leben verhält sich wie ihre
Dichtung: während Bauernfeld sich die Frische nnd Elasticität seines Geistes bis ins höchste
Alter bewahrt hat und uns noch jeht mit den Gaben seiner unermüdlichen Schaffenskraft
erfreut, ist Grillparzer früh der Literatur uud dem Leben abgestorben nnd hat sich in der
Einsamkeit verzehrt.
Franz Gril luarzer wurzelt mit allen Triebkräften indem Boden seines Vaterlandes.
Er suchte für sein Talent Nahrung zu zieheu aus alleu Richluugeu. welche er vorfand,
gleichviel ob sie den höheren oder tieferen Regionen der Literatur augehörten. Er schloß
sich enge an die lebendige Bühne an und dichtete in der Zeit, iu welcher Müllner das
Nurglheater beherrschte und Th. uon Artuer eine Art Einleitung zur „Schuld" schrieb,
als erstes Werk eine Schicksalstragödie. Er verschmähte es nicht, aus Gespenster- und
Räubergeschichte!!, wie sie A. Gleich und Andere damals zu Duheuden lieferten, seine
Motive zu entlehnen und wehrte deu Einfluß des Leopoldstädter Theaters so wenig uon
sich ab als den der Romantiker, welchen er den bedeutenden Hinweis auf die Spanier
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277