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Wort tanzen läßt, „der Schmelzt habe nie eine bessere Schmalzgrube gefunden." lind nun
folgen die berühmten Verse:
Ich lob dics Ort für al!e Land!
Allerlei Oselllchaft, Freuden uil.
Mehr Musicos und Instrument
Es ist zunächst das Wien seiner Zeit, welches Wolfgang Schmelzl schildert, aber
genau besehen ist es das Wien aller Zeiten. Blättert man huudert Jahre zurück, so findet
man es, nur minder wohlwollend behandelt, bei Aeneas Syluius; wieder hundert Jahre
in feinen eigenen Schwanken; noch einmal hundert Jahre in dcu Tanzliedern, die ein
Babenberger feineni Hofe vorsingt. Uud wenn man vorwärts rechnet, finden wir es bei
Abraham a Sancta Clara, iu den Schilderungen der Lady Muntague und zuletzt in der
Mitte der Vierziger-Jahre dieses Jahrhunderts bei dem wunderlichen Vncherkrämer Franz
Gräffcr, der, allerdings start übertreibend, in seiner „Wienerischen Kurzweil" schreibt:
„Diese beueideuswerthe Stadt ist das Paradies der ewigen Lustigkeit; Alles ist Uou dem
Element der Heiterkeit durchdrungen und beherrscht; Niemand langweilt sich, Jedermann
turzweilt sich da . . . " Dieses Wien mit seiner sinnlichen Empfänglichkeit ist für uus
zunächst der Boden des Wiener Theaters. Kein bloßer Zufall hat hier der Bühne
Gedeihen gebracht: sie ist vom Genius Wiens befruchtet, genährt, getragen worden. Der
Wohlstand Wiens, sein geselliges Wesen, der Glanz seiner Frauen, das unbefangene
Behagen an Witz und Spaß, das Geschick, sich zu kleiden, sich persönlich zu geben, zu
repräsentiren — das sind lauter Vorbedingungen für die Entwicklung des Theaters, die
sich nicht günstiger erfinden ließen. Leichtlcbigkeit, die den Ernst und eine plötzlich auf-
flammende Mannhaftigkeit doch nicht ausschließt, ist ein ewiger Charakterzug Wiens.
Wolfgang Schmelzl betont wohl einmal „die geschwinden, erfchreckendeu nud schweren
Läufe unserer armen und mühsamen Zeiten", allein seine Schilderung Wiens zeigt nichts
von Wunden und Narben. Er spricht uon einem Paradies, in desfcn Anblick ihn» das
Herz aufgeht. Weder der Großtürke, noch die Pest, seine beiden grimmigsten Feinde, haben
Wien herunterbringen können. Der Wiener hat stets die Knnst besessen, sich aus wider-
wärtigen Lagen dnrch eine wunderbare Schnellkraft der Seele rasch wieder herzustellen.
Er hat künstlerische Instiucte, nnd seine Hingabe an das Theater hat die schönsten Früchte
gezeitigt, hat eine Bühne und eine Bühnendichtung geschaffen, die ganz Wiens Eigenthum
sind und nicht feine geringsten Ruhmestitel bilden. Keine andere deutsche Stadt hat das
voltsthümliche Schauspiel, hat die Hanswurst'Cvmödie gründlicher in sich verarbeitet als
Wien, und ein Wiener Kind, ei» bedeutender Dichter und Darsteller, hat ihm ein idealisirtes
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277