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Abkömmlinge, ja selbst Goethes „Faust" läßt ihren Eiuflnß merken, wie ja diese Dichtung
die Geschichte des deutschen Theaters noch einmal in sich zu wiederholen scheint.
Mittlerweile kommt aus Wie» frohe Kunde: die ersten deutscheu Bernfsschansuieler
werden sichtbar, freilich nur ihrem Namen, nicht ihrer Leistung nnch. Das Jahr 1615
bringt den allgemein deutscheu Name» Schmidt, das Jahr 1617 den Namen Ibele, der
feine schwäbische Herkunft nicht verleugnen kann. Überhaupt geht nun viel vor auf
theatralischem Gebiete, allein es fehlen die sicheren Nachrichten: man sieht das Theater
nicht vor lanter Comödianten. Mit der Lockerung der alten Polizeiordnuug. die gerade
gegen das fahrende Volt ihre größte Strenge hervorgekehrt hatte, krochen die Gaukler
hervor wie die Frösche uach dem Regen. Wie« wimmelt von Lenten dieses Schlages.
Schauspieler, Gaukler und Seilfahrer. Trommelschläger, Leyrcr und Freifinger, Hafeu-
schupfer und Schwertfanger, Bären-, Affen- nnd Huudstanzmacher treiben ihr Wesen und
Unwesen auf den öffentlichen Plätzen und iu den Herbergen Wiens. Über Alles, was da
gaukelt, ist eine eigene Polizei' und Steuerbehörde, das Spielgrafenamt, gefetzt. Bei Leib-
und Geldstrafe unterfagt es den Leuten, die an Jahr- und Wochenmarkt und anderen Fest-
und Freudentagen „Spiel und Kurzweil nm das Geld inachen", das Flnchcn und Schwören,
unzüchtige Reden und Geberdcn; sie haben ordentlich um die Bewilligung einzukommen
und regelmäßig ihre Gebühr zu eutrichten. Dem Wiener Stadtrathe bereiten die öffent-
lichen Aufführungen dieser Leute, die selten ohne Unfug abliefen, fchwere Sorgen; er
fuchte sie iu geschlossene Locale zu drängen, was nach manchen Rückfällen in das alte
Wesen mit der Zeit denn auch gelang. So füllten sich deun die Ballhäuser — Häuser, die
große Räumlichkeiten zum Ballschlagen eingerichtet hatten — mit Comödianten, zumal
die Ballhäuser in der Tcinfaltstraße und in der Himmelvfortgasse; in den hölzerneu Hütten
auf dem Iudenplatze, vor dem Kärntnerthore, auf dem neuen Markte wurden Schau-
spiele aufgeführt. Eine Wandertruppe drängte die andere, nnd Wien gab aus Eigenem
mir feine unersättliche Schaulust her. Als ein Wiener Bürger im Jahre 1671 auf eigene
Faust ein Theater errichten wollte mit dem ausgesprochenen Beweggrnnde: damit oas
Geld im Lande bleibe, kounte das Unternehmen sich nicht Bahn brechen, Wien blieb
abhängig von den Wandertruppen..die vom Reiche draußen hereinkamen.
Allein schon stand der Mann vor der Thür, der das Wiener Theater gründete und die
deutschen Bühnen von seinen Erfindungen abhängig machte. Es war Josef Stranitzty,
von Geburt oder wenigstens nach seiner Geistesart ein Schlesieri leichtlebig, mittheilfaul,
nickt ohne einen gewissen Ernst, der sich bis in den Spaß hinein erstreckte. Er war, wie
man annimmt, ein entlanfener Student, wie ja das spätere deutfche Schauspiel überhaupt
das der Schule entllmfene Drama ist. Ein Magister, der Sachse Veltheim. hatte die erste
ordentliche Truppe ins Leben gerufen, die, an die Überlieferung der englifchen Comödiauten
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277