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zumal mit den Leidenschaften der erregbarsten Menschen, der Schauspieler, nicht gerechnet
hatte. Schon im dritten Jahre nach der Einführung dieser Bestimmungen hat Kaiser Josef
dem Bnrgtheater ein Organisationsstatut gegeben, das, unter dem Namen des Josefinischen
Theatergesetzes bekannt, im Wesentlichen bis zum Anfange unseres Jahrhunderts in Kraft
blieb. Die verwirrte und verwirrende Vielherrschaft wurde beschränkt und ein Ausschuß
aus fünf, von sämmtlichen Mitgliedern für ein Jahr gewählten Inspizienten eingesetzt.
Für die Wahl der Stücke wurden dem Ausschusse die strengsten Regeln eingeschärft, die in
ihrer moralisirenoen, die Kunst einfcitig als etwas Nützliches auffassenden Tendenz ganz
den Geist der Aufklärungsperiode athmen. Auch dieser Ausschuß trug noch genug Elemente
der Eonfufion in sich und mußte später einem Dramaturgen, einem Direetor weichen.
Wie ein Hauch des Frühlings ging es durch das Burgtheater, als Kaiser Josef ihm
seine Sorgfalt zuwendete. Er hatte Sinn für das Werdende, Hoffnnngsuvlle, auch als er
neben dem Schauspiele das deutsche Singspiel pflegte, aus dem die deutsche Oper hervor-
gegangen. Ihn beseelte eine warme persönliche Theilnahme für feine Biihnenschöpfung,
er freute sich jedes neuen Erfolges, lobte und ermnntcrtc in freundlichen, Gefpräche die
Schaufpieler und sah es gerne, wenn sein Burgtheater anf fremde Gäste einen guten
Eindruck hervorbrachte. Er sorgte für seine Schauspieler, er führte eine Art Tantieme für
die Autoreu ein. Im Gegensatze zu den beschränkten Ansichten mancher Wiener Schrift-
steller suchte er mit dem „Auslande" Fühlung zu erhallen, veranlaßte er Engagements
bedeutender Schauspieler von dranßen, dachte er an Anknüpfungen mit den hervorragendsten
Vertretern der deutschen Literatur. Das Engagement des großen Schröder war, kann man
sagen, sein eigenstes Werk, und als Schröder aus dem Bnrgtheater austrat, entließ ihn
der Kaiser mit den Worten: „Sie sind Hamburg zweimal satt geworden, ich sage Ihnen
vorher, Sie werden es anch zum dritten Male aufgebe», und dann wenden Sie sich an
Niemand als an mich." Kaiser Josefs Segen hat im Bnrgtheater fortgewirkt. Seit er ihm
seine Theilnahme zugewendet, ist der Eintritt in das Burgtheater an keine andere
Bedingung geknüpft, als an die der Tüchtigkeit,
Die vier Jahre, in denen Schröder in Wien spielte (von 1781 an), bezeichnen den
Höhepunkt des Burgtheaters im vorigen Jahrhundert. Zwar hatten schon vor Schröder
die neueren Strömungen der deutfchen Kuust nach Wien herübergewirkt. Versprengte
Reste der Neuber'schen Truppe kamen dem regelmäßigen Schauspiele zu Hilfe; Schau-
spieler wie Josef Lange, Müller, Brockmann, Schauspielerinnen wie Nanny Iaquet,
Christine Friederike Weidner geborene Lorenz, Iohauua Saeco wirkte» an der Burg —
Künstler, die zum Theile unter ähnlichen Einflüssen gestanden wie Schröder, für die
er zum Theile ein Vorbild gewesen. Nnn kam er aber selbst. In diesem einzigen Manne
ist die ganze deutsche Schauspielkunst seiner Zeit versammelt. Er hat von unten auf
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277