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Franzosen hat er in Wien freieren Raum geschaffen, Einheimische Kräfte wußte er zu
schätzen, zu wahren nnd zn leiten als ein Mann von fein geschultem Urtheile, dem selbst
poetische Gestaltungskraft in bescheidenem Maße zur Verfügung stand, Gril lparzer ist
durch ihn seines dramatischen Talents sicher geworden. Das Burgtheater wurde des
Glücks theilhaftig, einen Dichter zu haben, der ungeachtet des innigen Znsammenhanges
mit der classischen Dichtung der Deutschen aus diesem Theater selbst und aus dem Grund
und Boden, worauf es steht, hervorgewachscn ist. Grillparzer war durch und durch ein
Österreicher iu dem Sinne, wie fich Österreich in feiner Reichshauptstadt fpiegelte. In
diesem Geiste ergriff und führte er nationale Stoffe aus: nichts ist in diesen Stücken, was
nicht ein wohlgesinnter Wiener mitempfinden und billigen könnte. Auch in den Stoffen,
die er dem Alterthume entnimmt, verräth sich der Altöfterreicher, der Wiener, zumal iu der
Weichheit und Schmiegsmukeit der Empfindung und in der Schen vor einer harten
Losung heraufbefchworner Conflicte, die man als tragische Wehleidigkcit bezeichnen könnte.
Medea erscheint in diesem Lichte: zumeist die Umstände tragen die Verantwortlichkeit für
sie, sie ist keine sonveräue Persönlichkeit, Grillparzer ist ein Wiener Classitcr. Später
gesellte sich in Vanerufeld dem Tragiker ein Luftspieldichter, der gleichfalls dem Burg-
theater uud dem Wiener Boden entwachsen ist. Bedeutende Schauspieler werden productiu,
indem sie Dichter zu Hervorbringungen anregen. Es läßt sich uicht berechnen, was
Bauerufeld eiuem schauspielerischen Wellmanne wie Fichtner und einer schauspielerischen
Weltdame wie die Neumanu verdankt. Auch Bauernfeld ist em echter Österreicher, uud
doppelt echt, wril er anf Österreich nicht gut zn sprechen ist; das Burgthcater besitzt dafür
ein feines Gefühl nnd hat daher Bauernfclds satirische Anwandlungen nie übelgenommen.
Leichtes, munteres, geistreiches Gespräch zeichnet feine Lustspiele aus; man merkt die große
Stadt, die hinler ihm steht, nnd die gesellschaftlichen Kreise, in denen er verkehrt. Gnte
Theater schaffen fich von jeher ihre Dichter, und diese wirken auf das Theater wieder
zurück. Auf folchcr Wechselwirkung beruht das eigentliche Leben der dramatischen Kunst.
Die Bestrebungen Schreyvogels sind nach einer Unterbrechung von Jahrzehnten
durch Heinrich Laube wieder aufgenommen worden. Laube fand freiere Verhältnisfe vor
und er benutzte sie sofort znr Erweiterung des Repertoires, welchem endlich nur noch selbstver-
ständliche Rücksichten Schranken sehten. Nach Landes Absicht sollte das jährliche Repertoire
ein übersichtliches Bild von Allem geben, was die dramatische Literatur der Deutschen seit
Lesfiug an lebensfähigen Werten hervorgebracht; die fremde Literatur war natürlich
nicht ausgeschlossen, die moderne französische sogar bevorzugt. Laube lebte und webte im
Burgtheater. Er war eine Arbeitstraft ersten Ranges, voll Begeisterung für seine Aufgabe.
Ein vortrefflicher Vorleser, selbst ein schauspielerisches Talent, dem nur die glücklichen
sinnlichen Mittel fehlten, arbeitete er rastlos mit feiuen Schauspielern. Die Schröder'sche
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277