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Erbschaft, das natürliche Sprechen, hat unter ihm die liebevollste Pflege erfahren. Bei
feiner Rastlosigkeit, semer Jagd nach dem Neuen und Neuesten konnte es an mißglückten
Versuchen nicht fehlen! Personal und Repertoire sahen sich oft von einem fieberhaften
Wechsel ergriffen, ältere Mitglieder fühlten sich zurückgesetzt. Laubes Geschöpfe, und nicht
immer die besten, traten in den Vordergrund, Doch hat Laube bei feinem sanguinischen
Temperamente, das von jeder Neuerung das Außerordentliche erwartete, auch die Kunst
besessen, das als unzulänglich Erkannte oder von außen Zurückgewiesene mehr oder
weniger rasch fallen zu lassen. So stellte sich ans Wagnissen nnd Zugeständnissen immer
wieder ein erträglicher Mittelzustand her, nnd schließlich hat Laube doch Bleibendes
geschaffen, indem er tüchtige Kräfte herbeischasste und dem Repertoire nachwirkende
Impulfe gab. Als Laube, da man ihm seine Befugnisse befchränken wollte, seinen alten
geliebten Wirkungskreis freiwillig, doch mit schwerem Herzen verließ, wollte er dem Burg-
theater ein Truhtheater gegenüberstellen; allein seiner Rechnung lag ein grober Fehler zu
Grunde, denn dem Burgtheater trotzen ließ sich nur durch die eigenen Kräfte des Burg-
theaters, die freilich nicht verfügbar waren. So ist das Wiener Stadttheater, an welches
Laube eine unsägliche Arbeit wendete, noch mehr durch die innere Unmöglichkeit, als durch
die Ungunst der Verhältnisse zu Grunde gegangen. Der unfruchtbaren Periode, die auf
Laube folgte, hat Freiherr von Münch-Belliughausen — einst als Friedrich Halm nicht
ohne hervorragende dichterische Bedeutung für das Burgtheater — seinen Namen geliehen.
Er berief einen ehemaligen Schauspieler, der die Mannheimer Bühne geleitet hatte, znr
Direction des Burgthcaters, Der Gedanke, einen Schauspieler über die Schauspieler zu seyen.
erwies sich sofort als unpraktisch. In einer besseren Stunde des Intendanten Baron Münch
wnrde Franz von Dingelstedt zum Director herangezogen, so daß wieder ein literarischer
Name an der Spitze des Institutes stand. Dingelstedt war kein Frennd der Schauspieler,
für ihre Bestrebuna.cn. für ihren Ehrgeiz, künstlerisch vorwärts zu kommen, hat er keine
Theilnahme gehabt. Er nahm die Schauspieler, wie sie waren, ohne sie ändern zu wollen.
Seiner innerste,n Meinung nach war es nicht der Mühe werth, sich näher mit ihnen zu
befassen, Iu ihm lebte ein tiefer Zug nach Repräsentation, in feinen Unternehmungen wollte
er zugleich persönlich glänzen. In diesem Sinne hat er Goethes „Göh von Berlichingcn",
hat er die Historien Shakespeares gegeben und indem sie ihm Ehre einbrachten, unwillkürlich
auch das Darstellungsvermögen der Schauspieler von Grund aus aufgerüttelt. Ein bequemer
Lebemann, mit der Eitelkeit dieser Welt mehr als billig beschäftigt, hat er in das Getriebe
des Theaters nur selten eingegriffen, dann aber entschieden den Herrn gezeigt.
Mit ihm — einer glänzenden, aber in ihren Wirkungen wenig nachhaltigen
Erscheinung — nehmen wir Abschied vom Burgtheatcr, da der Zweck dieser Darstellung
die Gegenwart ausschließt. Noch lebt der Geist des Burgtheaters, und hoffentlich wird
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277