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er sich von seiner alten historischen Stätte hinNberretten in die festlichen Nänme des neuen
Theatergebäudes.
Mit nnd neben dem Burgtheater haben sich die Vorstadtbühnen Wiens vielseitig
ausgebildet. Das Theater an der Wien und die Iosefstädt.er Buhne pflegten sämmt-
liche dramatische Gattungen, auch das Ballet und die Oper, Eigenthümlicher hat sich das
Leopoldstädter Theater, das spätere Carltheater entwickelt. Es hat die Erbschaft des
Hanswurst augetreten. Theaterschriftsteller wie Pernet, Meisl nnd Bänerle, Schauspieler
wie La Röche nnd Ignaz Schuster haben es emporgebracht. In verschiedenen Gestalten, als
Kasperl, Staberl, Lipperl, Thaddädl lebte der alte Hanswurst wieder auf und bereitete
den Wienern unendlichen Spaß, Kasperliaden, mythologische Stücke, Parodien, Zauber-
Possen, Alles wechselte mit einander ab, Alles war echt volksthiimlich, echt Wienerisch und
doch wieder so echt komisch, daß es den Weg nach ganz Deutschland fand. Der Zanberposse
hat sich darauf ein bedeutender Dichter bemächtigt, der ihr dauernde Gestalt verliehen.
Jene ganze lustige Herrlichkeit ist verschwunden, mir Ferdinand Raimunds Stücke leben
fort und werden stets uoch mit Beifall gegeben, Die gleichmäßigste Wirkung als Ganzes
macht der „Verschwender", wie er denn auch das ausgetragenste, reifste Werk Raimunds
ist; am stärksten packt „Alpenkönig und Menschenfeind", ohne Zweifel die genialste
Schöpfung des Dichters, die in der Scene, wo dem Rappelkopf fein eigenes Wesen
entgegentritt, in unvergleichlicher Weife gipfelt; dagegen fällt der „Bauer als Millionär"
einigermaßen ab, doch wird er gerettet durch die herrlichen Scenen, in denen der über-
müthige Bauer Fortunatus Wurzel mit der Abschied nehmenden Jugend und dem heran-
nahenden Alter verkehrt. Die Jugend, einst eine viel bewunderte Rolle der Thercfe
Krones, hüpft herein, ein Mädchen in Männertracht nnd dadurch doppelt reizend. Nic ist
das schmerzlichste Ereigniß des Lebens, der Abschied des Menschen von der Iugeud, oder
vielmehr, da Niemand nachgeben will, der Abschied der Jugend von dem Menschen, mit
übermüthigerem Humor dargestellt worden, nnd doch mit einem Hnmor, der die Härte
des Moments wohl fühlen läßt und ihn mir mit Rofen übertänfcht. Die Verszeilen:
„Brüderlein fein, Brüderlein fein" — diefeWiederholung,wie musikalifch eiuschmeichelnd! —
werden mit ihrem, in seiner Selbstverständlichkeit so tiefen nnd erschütternden Vergleiche:
„Scheint die Sonne noch so schön, einmal muß sie untergeh'n", so lange dauern uuo
wiederholt werden, als es Menschen gibt, die eine Jugend und ein Glück zn verlieren
haben. Einmal ausgesprochen, sind solche Worte ewig. Und diese allegorische Gestalt der
Jugend, ist sie nicht ein blühendes Wesen voll Wärme und Athem, eine echte Wienerin,
der wir schon einmal im Prater oder auf dem Stefansulatz begegnet sind? Sie rauscht
vorüber und ein Duft wie von Nosen bezeichnet ihren Weg. Und nnn läßt sich das Alter
melden. Es ist, wie der Diener mit einer local-witzigen Wendung meldet, ans Eisgrub.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277