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wo wir eine Fülle realistisch behandelter Hciligenstatncn in dem echten alten Schmucke
bunter Bemalung gewahr werden. Am Äußeren findet sich neben manchem schönen Grabmal
der Gothik noch ein besonders interessantes jüngstes Gericht, bei den Michaelern ein derber
Ölberg in großen Figuren, endlich in der Barbarakapelle des Domes ein lebensgroßes
Crucifix von scharf-realistischer, aber fesselnder Wahrheit.
Anch sind mancherlei Hansfchilde und Wahrzeichen hierher zn zählen, wie z. B. der
sogenannte Winter, ein sich am Feuer wärmendes Männchen, in dem die Sage König
Matthias Corvin erblicken will, der schöne Wappenengel der Stadt Wien ic. Alles dies
ist nach den Nachrichten über die Thätigteil in Wien beschäftigter Künstler und nach der
Zahl der zerstörten oder später umgebauten Kirchen jedoch nur als ein verschwindend
kleiner Theil des ehemals Vorhandengewesenen zu betrachten.
Der Flügelschlag der Renaissance ist in Wien früher fast als sonst irgendwo in
deutschen Landen zu verspüre». Unsere Denkmäler der Sculptur dieser Ztilart reichen bis
in das erste Viertel des XVI. Jahrhunderts zurück, aber es ergeben sich Anzeichen dafür,
daß schon ini vorhergehenden Werke im neu-antikischen Geschmack in uuscrer Stadt Ein-
gang gefunden haben müssen. Es waren dies zunächst Malereien, wie z. B. ein Prediger
bereits um 1450 den Wienern zum Vorwurf macht, daß sie ihre Schlafkammern und
Valdachiubetlen mit „schandbaren" Bildern (nackten Figuren) ausschmücken statt mit der
Kreuzigung oder dem jüngsten Gericht, In dem reichen, lebenslustigen Wieu, dessen stattliche
Bürgerhäuser Äneas Syluius, Nonfinus und Andere in rhetorischer Übertreibung schon
mit den Behausungen der „Alten" vergleichen, brachte zunächst der Handel aus dem Süden
solche neue seltene Kunstwaare herbei, gerade wie wir um dieselbe Zeit hier bereits Händler
mit dem berühmten Glase von Venedig angesiedelt sehen. Wichtiger war dann aber der
Impuls, als mit herannahender Türkeugefahr an eine umfafsende Ausbesserung der
Fortificationen der Stadt gegangen werden mnßte, wozu man mir Italiener brauchen
konnte, deren Befestignngssystein damals das herrschende war. Jene Künstler, meist ans
Como, Mailand, Padna :c.. wie die Pozzo, Allio, Spazio:c., waren aber nicht blos
Architekten, sondern auch Plastiker, Ornamentiter und Maler, sie brachen der Renaissance
eine breite Gasse,
Österreich wnrde so recht der Buden der Frührenaissance fiir Deutschland. Die
Motive der venetianischen, veronesischen und mailändischen Bauweise nahmen hier einen
eigenartigen, selbständigen Typus an, ein heiteres und dabei naives Gepräge, welches bereits
ganz anders als ehedem die nach fremdem Vorgang einfach importirte Gothit das landes-
übliche Wesen ausdrückte. Monumentale Vanten jenes frühen Renaissancestiles haben sich
in Wien zwar nicht erhalten, waren auch taun, vorhanden, doch mögen zahlreiche zierliche
Bürgerhäuser dieses Stils bestanden haben mit Laubengängen und Erkern. Das
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277