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Obwohl, namentlich in der Smlptur, die Vorliebe der Bauherren und auch der Architekten
den Watschen zugewendet war, strebten unter denselben allmälig auch junge deutsche
Künstler kräftig empor, so Mader und Schletterer, welche an der Karlskirchc beschäftigt
waren, uuter Stanetti, dem Meister der Figuren im Belvcderegarten, der begabte Tiroler
Lcchleitner, endlich unter Ginliani, dem Vildhaner des Liechtensteinpalais, der Genius
der Zukunft Georg Raphael Donner. Der bedeutendste dieser Epoche war jedoch sicher
Lorenzo Matthielli, der Schöpfer der Herkulcsgrnppeu in der Burg, der Figuren des
Schwarzeubcrggartens, der Engel am Tambour von St. Karl ?c. Höchst originell in
seiner barocken, aber geistreichen Statue Eugens (im Aelvedere) erwies sich der Baier
Balthasar Permoser, einer der heftigsten Kämpen im Streit wider die Obmacht der ver-
hätschelten Italiener jener Tage.
So reich und üppig hatte sich Malerei und Plastik neben der glänzenden Architektur
entfaltet, als im ersten Viertel des vorigen Jahrhunderts eine neue Tendenz allmälig in
allen drei Schwesterkünsten an die Oberfläche zu dringen begann. Sie strebte, wenn auch
nicht gewaltsam, weuu auch mit vielfacher Beibehaltung der gewohnten Erscheinungsformen
des barocken Stils, im iunersten Kern der künstlerischen Idee zn den älteren strengeren
Mustern zurück. Sie hat an drei Meistern, welche die größten Österreichs sind, ihre Vor-
kämpfer: in der Architektur an Fischer dem Älteren, welcher auf die Antike uud auf die
Theoretiker der Renaissance (Pignola, Serlio ?c.) zurückging, — an Daniel Gran, der sich
durch das Studium Marattas dem Zeitalter Raphaels zu nähern suchte, — und an Raphael
Tonner, dem ein engbegrenzter Lebenskreis zwar Italien und die Antike zu schauen wehrte,
der aber dafür mit der höchsten Kraft des Genies mitten in der Zeit des Manierismus
die Plastik auf das strenge Studium der reinen Natur zurückzuführen verstand. Leider
fanden die drei großen Meister keine geistesebenbürtige Nachfolge, uud so führte ihr Streben
nach Läuterung und Reinigung des Stils in Österreich nach mannigfachen Stationen
ebenfalls mir zn jener Ernüchterung, welche in der Lnft des gcsammten Kunstlebcns der
späteren Zeit lag und endlich im akademischen Treiben des Classicismus verödete. Ihre
eigenen Werke aber adelt jener Drang nach Hebung und Klärung in herrlichster Weife
und stempelt Grans Fresken der Hofbibtiothck uud des Schwarzeubergplllllis, Donners
Brunnen auf dem Nenen Markt und im Magistratsgebände zu ebeuso unvergleichlichen
Schöpfungen wie Fischers Karlskirche, Reitschule oder Reichskanzlei.
Tchou unter Leopold I. beginnt das Wirken der Wiener Akademie der bildenden
Künste, einer Anstalt, welche indeß für die geschilderte Glanzzeit noch keine Bedeutung
gewann. Außer Peter von Strudl und Mcytens standen ihr sämmtliche genannte
bedeutende Meister gänzlich ferne. Ihre Wirksamkeit fällt erst in die Theresianischc und
Josefinische Periode, in der durch diefe Künstler der Übergang zum spatere« Classicismus
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277