Seite - 279 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
Bild der Seite - 279 -
Text der Seite - 279 -
279
Und als endlich in Misere» Tagen die alte Stadt ihren Festungsgürtel sprengen
durste, als neben die von der Natur dargebotenen die durch Menschenhand geschaffenen
Verkehrsmittel getreten waren, wnrde Wien wieder der natürliche Knotenpunkt aller jener
Fäden, welche den europäischen Westen mit dem Osten und das wirthschaftliche Leben
aller Theile des Reiches unter einander verknüpfen.
So sehen wir eine von der Geschichte vieler Jahrhunderte sanctionirle Anerkenntniß
der wirthschaftlichen Bedeutung Wiens, einer Bedeutung, deren Anwachsen in
gewissen Perioden beschleunigt, in anderen gehemmt werden mag, die jedoch auf einer
unerschütterlichen natürlichen Grundlage ruht und die Gewähr ihres ehernen Bestandes
in sich selbst trägt.
Man beurtheilt häufig die Prosperität der Großstädte nach dem rascheren oder
langsameren Anwachsen ihrer Vulkszahl; blickt mau auf frühere Zeiten zurück, so war
dieses Symptom eiu für Wien uugemein günstiges. Zwar darf man berechtigte Zweifel
jener allgemeinen Bemerkung des Äneas Sylvins Piceolomim entgegensetzen, nach welcher
die Stadt Wien um die Mitte des XV. Jahrhunderts 50,000 Communicanten gezählt
haben soll; verläßlich aber ist das Ergebniß der seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts
vorgenommenen Volkszählungen, nach welchen die Stadt Wien im Jahre 1754
175.460 Einwohner hatte. Am Beginne des XIX. Jahrhunderts finden wir schon
231,049, im Jahre 1840 356,869. im Jahre 1851 431.14? verzeichnet. Die Stadt-
envciterung bewirkte auch eine Volkserlveiterung intensivster Art, denn im Jahre 1864
waren 550.241, im Jahre 1880 704,756 nnd im Jahre 1883 750,000 Einwohner
anwesend. Mit den Vororten, welche einen durchaus integrirenden Bestandtheil der Haupt-
stadt bilden, ist diese Volksmenge im Jahre 1884 auf 1,100.000 Seelen gestiegen. Die
im Verhältnisse zu anderen europäischen Großstädten allerdings im letzten Jahrzehnt
zurückbleibende relative Volksuermehrnng Wiens erklärt sich vornehmlich dadurch, daß
unfere Hauptstadt sich neuestens nicht fo sehr auf Kosten des Flachlandes und durch steten
Zuzug auswärtiger Elemente bevölkert, als vielmehr dnrch den eigenen internen Zuwachs
ihrer allerdings aus allen Volksstämmen des Reiches bunt zusammengesetzten Bevölkerung
vermehrt. Wenn diese Erscheinung einerseits bedauert wird, weil die Macht nud das
Ansehen großer Städte vielfach nnmerisch gemessen werden, so bekundet sie doch ander-
seits, daß Wien, zum Unterschiede von manchen seiner Rivalen in Europa, dem offenen
Lande nicht die Gefahr bringt, demselben die für seinen Landwirthschaftsbetrieb und seine
übrigen Erwerbszweige erforderlichen Arbeitskräfte in allzu großer Zahl zu entziehen, und
man darf aus der Art des Zuwachses auf die Kraft und wirthschastlichc Prosperität
der Wiener Bevölkerung schließen. Mehr als die Hälfte der Wiener Bevölkerung ist
in Wien und dessen Vororten geboren, die Zugezogenen sind die Minderzahl, während
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277