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Wic Wien, eine Pflegestätte der Wissenschaft ersten Ranges, die den exaclci, Wissen,
schaften unmittelbar dienenden Hilfsmittel in seinen eigenen Werkstätten hervorbrachte, so
hat auch das stets reichbewegte Musikleben, das in manchen Perioden der Musikgeschichte
ein epochemachendes war, dahin geführt, daß die Instriimenten-Fabrication Gegenstand
einer sehr schwunghaften und sich immer bedeutender entwickelnden Thätigkeit wurde. Von
den Saiteninstrumenten, die in ihren mannigfaltigen Abarten in Wien gebaut wurden,
ist es insbesondere die Zither, welche aus ihrer ursprünglichen primitiven Form von einem
vortrefflichen Zitherspieler und nicht minder tüchtigen Gewerbsmann durch Vermehrung
der Saitenzahl und Einführung des Quintensystems in ein vollkommeneres Instrument
verwandelt wurde. Ebenso ist die Physharmonita eine österreichische Erfindung und das
aus derselben herausgcbildete Harmonium wnrde bald und wird noch immer vortrefflich
in Wien gebaut. Nicht minder erlangten die Hand- oder Zugharmonika und die Mund-
harmonika durch eiueu nneriuüdeten Industrielle» die Bedeutung eines Welthandelsartikels,
in welchem Wien bis heute unbestritten domiuirt, Anch im Fache der Vlasinstrumeiite
kann sich Österreich zahlreicher Erfindungen und Verbesserungen rühmen und auch hierin
war es besonders Wien, welches führend auftrat.
Die Kunst des Clauieroaucs hat sich in Wien seit nahezu einem Jahrhundert zu
großer Bedeutung entwickelt, denn schon im Jahre 1795 wirkten hier drei große Meister
des Llavierbaucs. So hat mit historischer Berechtigung die Wiener Pianoforte Falirication
der Gegenwart trotz des Beharrens bei der Handarbeit und der dadurch außerordentlich
schwierigen Position gegenüber der fremdländischen Concurrenz, welche durch die maschinelle
Fabricatiou der einzelnen Bestandtheile des Claviers wesentlich getragen wird, noch immer
große Bedeutung. Es wäre hier noch vieler Specialitäten der Wiener Mufitindustrie
Erwähnung zu thun, z. B. der stählernen Claviersaiten, welche sogar von dem berühmten
Broadwood in London bezogen werden, doch genügen diese gedrängten Bemerkungen, um
zu zeigen, daß Alles in Allem die Musikpflege dem Gewerbefleiß vielfache Anreguug und
Förderung gegeben hat; die an das Gewerbe von den Musikern gestellten Anforderungen
wurden nicht nur schlechthin befriedigt, fondern es gingen aus dem Gewerbestandc viele
felbstündige Leistungen hervor, die wieder dem ausübeuden Musiker zustatlen kamen.
Aber nicht blos die Kunst der Töne rief neue und dankbare Richtungen der Werk-
stättenarbcit hervor, auch alle Zweige der bildenden Kunst nahmen Einfluß auf die
Eulwickluug des Gewerbes in Wien. War auch bei dem Wiener Arbeiter das manuelle
Geschick i» hinreichendem Grade vorhanden, war auch eine besondere Anlage für technische
Aufgaben bei dem kleinen uud großen Meister der Wertstätte erkennbar und so im
Allgemeinen die Vorbedingung für ein tüchtiges Schaffen erfüllt, fo bedürfte es doch noch
mächtiger Anregung von außeu, um dem Handwerker die Bedeutung von Form, Farbe
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277