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städtische Gewerbe allen wichtigeren Bedürfnissen des physischen und Geisteslebens der
Bevölkerung unserer Hauptstadt zu entsprechen und noch viel darüber hinaus zu leisten
im Stande ist. Es befindet sich, wie in allen Großstädten, in einer Übergangsperiode,
deren Endpunkt und Endergebnih kaum vorhcrgesehen werdeu kaun. Das Eintreten jener
culturuni stalten den technischen Errungenschaften, die im Verkehrs- und Fabrikswesen zum
Ausdrucke gelange», führen zum jähen Zusammenbiuche der von altersher überkommenen
Gewerberichtungen, schaffen aber anderseits tausendfältig neue Bedingungen für die
Erwerbsfähigkeit des Mannes und der Frau. In solchen Zeitläufen ist die Erkenntniß
der Sachlage in jedem Berufszmeige von dringendster Nothwendigkeit. In allen Sphären
des gewerblichen Berufslebens ist die genaue Vertrautheit mit deu technischen und
artistischen Factoren des Erfolges ein unabweisliches Bedürfniß des Arbeiters im weitesten
Sinne des Wortes geworden. Darum ist die Schaffung einer wahrhaft großartig concipirten
Einrichtung des gewerblichen Unterrichtswesens, dessen oberste Leitung ihren Sitz in Wien
hat, eine der bedeutendsten Thaten der österreichischen Staatsverwaltung unserer Zeit.
Man hat von hier aus die dringendsten Organisationen höherer, mittlerer und niederer
geweiblichen Bildungsanstalten im ganzen Reiche geschaffen nnd so wird die Cultur-
geschichte der Reichshauptstadt das Zeugniß nicht vorenthalten, daß hier der zeitgenössischen
Auffassung von den Bedingungen der Entwicklung des Gew erbestand es in achtung-
gebietender Weife Ausdruck verliehen wurde.
Die Großindustrie.
Das Anschwellen von Wien in den letzten Jahrzehnten wnrde ganz besonders durch
die rasche Entwicklung der Großindustr ie bewirkt. Hier wie anderswo hat das Hand-
werk nnr die Mittelstadt geschaffen, das alte Wien, das als Residenz doppelte Bedeutung
gewann; die moderne Riefenstadt dagegen ist das ureigenste Product der große» Industrie.
Vor dreißig Jahren zählte man bereits 477 Fabriken, die fast alle wichtigeren Zweige
des Gewerbefleißes umfaßten, und wenn schon jede einzelne Fabrik den Keim zu einer
Stadt in sich trägt, indem die zahlreichen in ihr beschäftigten Arbeiter die Nieder-
lassung von Bäckern, Fleischern, Krämern und anderen Gewerbetreibenden bedingen, die
für ihre Lebensbedürfnisse Sorge tragen, so läßt sich leicht denken, wie jene Hunderte von
Fabriken wirken mußten, die bis zum heutigen Tage sich wohl mehr als verdoppelt, mit
den Fabriken der Vororte etwa verdreifacht haben. Der Bericht der Wiener Handels-
uud Gewerbekammer führt für das Jahr 1680 in Wien 1515, in den Vororten 214,
zusammen also 1729 industrielle Großbetriebe an, und müßte man auch von diesen
Betrieben einige Huudert abrechnen, auf welche die Bezeichnung Fabrik uicht paßt, so ist
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277