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Entwicklungseinflüsse zu ihren Gunsten wirksam
werden.
Nicht von der „Großmut und Gerechtigkeit der
Männer", wie der alte Hippel meinte, kann das weib-
liche Geschlecht die Anerkennung der Gleichberech-
tigung erwarten. Obwohl ich persönlich unbedingt
glaube, daß diese Eigenschaften die Auszeichnung der
edlen Männlichkeit bilden, so bin ich doch der Mei-
nung, daß die Welt durch elementare Vorgänge und
nicht durch Großmut und Gerechtigkeit bewegt wird.
Wie für die ökonomischen Lebensbedingungen gilt das
auch für die ethisch-psychologischen Beziehungen der
Geschlechter zueinander.
Ich hebe das ausdrücklich hervor, um mich im vor-
hinein gegen den Vorwurf zu verwahren, als wollte
ich für das weibliche Geschlecht gegen das männ-
liche Partei ergreifen. Der Frage, ob einem von
beiden Geschlechtern der Vorzug gebühre, bin ich
aus dem Wege gegangen. Um da ohne Voreinge-
nommenheit Richter zu sein, dürfte man keinem von
beiden angehören. Wenn ich ganz privatim und un-
verbindlich meinen subjektiven Geschmack bekennen
sollte, so würde ich wohl dem männlichen Geschlechte
den Vorzug geben— aber das scheint eben eine weib-
liche Voreingenommenheit zu sein, die mit dem Ge-
schlechte zusammenhängt.
Von der Majorität der Männer wie der Frauen gilt
leider, was Kant von der Menschheit im allgemeinen
sagte: „fragt man, ob die Menschheit als eine gute
oder schlimme Rasse anzusehen sei, so muß ich ge-
stehen, daß damit nicht viel zu prahlen sei." Ge-
wiß! Mit dem gewöhnlichen Weibe ist so wenig zu
prahlen wie mit dem gewöhnlichen Manne; und
man sollte endlich aufhören, dem einen oder dem
anderen Geschlecht als Ganzes eine Zensur aus-
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Buch Zur Kritik der Weiblichkeit"
Zur Kritik der Weiblichkeit
- Titel
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Autor
- Rosa Mayreder
- Verlag
- Eugen Diederichs Verlag
- Ort
- Jena
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 10.5 x 16.5 cm
- Seiten
- 316
- Schlagwörter
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 1
- Grundzüge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges über die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299