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nismus, wie des menschlichen, aus so einfachen Ur-
sachen, wie die Beschaffenheit der Keimzellen oder
die Vorgänge der Ernährung und des Stoffwechsels
zu erklären?
III
JEDE Methode kann nur Prozentsätze ermitteln ; sie
scheidet die Geschlechter in Majoritäten und Mino-
ritäten. Fast ausnahmslos wird dabei alles Gewicht
auf den Majoritätscharakter gelegt. Und doch sind
die Minoritäten für so viele Wandlungen in der Kultur-
gesellschaft ausschlaggebend, sind keineswegs neben-
sächlich oder überflüssig indernatürlichenundsozialen
Ordnung!
Aber das mag dahingestellt bleiben. Setzen wir uns
erst mit der Tatsache auseinander, daß der psychische
Charakter einzelner Individuen— gleichviel, wie selten
oder wie häufig diese Individuen sind— nicht mit
ihrem sexuellen Typus übereinstimmt.
Lombroso hat zur Erklärung der atypischen Weib-
lichkeit das Gesetz der gekreuzten Vererbung heran-
gezogen. „Solche Frauen sind vielleicht das Produkt
eines eigentümlichen Vererbungsmechanismus; sie
scheinen Geschlechtsorgane und sekundäre geschlecht-
liche Merkmale von der Mutter, das Gehirn vom
Vater übernommen zu haben; paradoxe Mischungen
dieser Art bedingen ja auch gelegentlich den Typus
des weibischen Mannes." Er ist im übrigen der An-
sicht, daß innerhalb des weiblichen Geschlechtes als
dem weniger variablen nur das Gebiet der vollkom-
menen Normalität oder das der äußersten Anomalie
vertreten erscheint, und daß die zahlreichen Über-
gangsformen fehlen, welche diese beiden Pole ver-
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Zur Kritik der Weiblichkeit
- Titel
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Autor
- Rosa Mayreder
- Verlag
- Eugen Diederichs Verlag
- Ort
- Jena
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 10.5 x 16.5 cm
- Seiten
- 316
- Schlagwörter
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 1
- Grundzüge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges über die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299