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braucht die geistigen Güter, deren Träger sie war,
die Kindergeneration muß sich neue schaffen —
darin besteht ihre geistige Lebensfunktion, und wenn
sie sich darauf beschränken sollte, die überlieferten
Ideale einer guten Erziehung lebenslänglich zu be-
halten, so würde sie sich ihres besten Rechtes be-
geben.
Auch biologisch ist das Kind gewöhnlich nicht das
Ebenbild und die Fortsetzung der Eltern. So wenig
wie die kulturgeschichtliche Entwicklung vollzieht sich
die biologische in einer geraden Linie. Mutter und
Vater sind bloße Durchgangsglieder — das Kind
kommt aus einer viel größeren Ferne her; es ist
mindestens im gleichen Maße das Kind unbekannter
Ahnen als das der beiden Individuen, die sich zu
seiner Erzeugung zusammengefunden haben.
Die Vorstellung der Eltern, daß sie selbst in ihren
Kindern wieder aufleben werden, gehört zu den Illu-
sionen, durch welche die Natur dem Individual-Be-
wußtsein die Ansprüche der Gattung annehmbar
macht. Wenn schon das Triebleben von solchen
trügerischen Vorspiegelungen begleitet ist, sollte doch
das Gebiet der Vernunfterkenntnis davon frei bleiben.
Mit der Vorstellung, daß das Kind das „Werk" der
Eltern und im besonderen der erziehenden Mutter
sei, wird eine solche irreführende Illusion auch dort
erweckt. Wer die Mutterschaft als Äquivalent der
geistigen Produktivität betrachtet, verkennt, daß ein
Werk der Ausdruck, die Leistung einer Persönlich-
keit ist, das Kind aber nicht. Es gibt allerdings eine
beiden Fällen gemeinsame Vorstellung, mit denen
das Individuum gleichsam die großen persönlichen
Mühen und Opfer, die es um des Werkes willen auf
sich nimmt, vor sich selber erklärt. Das ist die Vor-
stellung, in der Nachwelt fortzuleben, sein eigenes
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Zur Kritik der Weiblichkeit
- Titel
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Autor
- Rosa Mayreder
- Verlag
- Eugen Diederichs Verlag
- Ort
- Jena
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 10.5 x 16.5 cm
- Seiten
- 316
- Schlagwörter
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 1
- Grundzüge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges über die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299