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eine Individualität die typischen Eigenschaften des
Geschlechtes besitzt, so wenig wie er es für eine
Auszeichnung hält, die Merkmale eines Standes oder
einer Berufskategorie an sich zu haben. Daß sie frei
istvom Typischen wievom Konventionellen, das ist die
Auszeichnung der Individualität; sollte ihre Freiheit
gerade im Punkte der Geschlechtskonvention eine
Grenze haben? Ein Gesetz, das aus einem Mehrzahls-
phänomen abgeleitet ist, besitzt keine Gültigkeit gegen-
über der Individualität; es kann durchaus nicht den
Maßstab bilden, nach welchem eine geistig hervor-
ragende Erscheinung als „normale" oder „abnorme"
zu klassifizieren wäre. Will man das abweichende
Individuum beurteilen, so darf man sich nicht auf
den Boden der jeweilig herrschenden Norm stellen;
man muß es unter der Perspektive des evolutionisti-
schen Gattungsbegriffes betrachten, von dem das art-
erneuernde Prinzip ebensowenig zu trennen ist als
das arterhaltende. Im Lichte der naturwissenschaft-
lichen Weltanschauung, die das Geschaffene in ein
Gewordenes und Werdendes verwandelt und gezeigt
hat, daß die scheinbare Unveränderlichkeit der Arten
in Wahrheit eine unbegrenzte Bewegung sei, erscheint
jede Individualität als eine neue Daseinsmöglich-
keit, eine Erweiterung der Gattung. Denn der ver-
schwenderische Formenreichtum der Natur, der in
den niedrigeren Regionen des Lebens unzählige
Varianten und Spielarten hervorbringt, gipfelt in den
höchsten menschlichen Rassen als individuelle Diffe-
renzierung.
Auch die Geschichte der menschlichen Gesellschaft
ist als ein Fortschreiten vom Zwang allgemeiner Ge-
setze zur individuellen Freiheit aufzufassen. In pri-
mitiven sozialen Verbänden wird das Individuum am
meisten dem Interesse der Gesamtheit untergeordnet;
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Zur Kritik der Weiblichkeit
- Titel
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Autor
- Rosa Mayreder
- Verlag
- Eugen Diederichs Verlag
- Ort
- Jena
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 10.5 x 16.5 cm
- Seiten
- 316
- Schlagwörter
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 1
- Grundzüge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges über die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299