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Blutvergießen zur Lust erhebt. Erst wenn die Kon-
sequenzen ihres Niederganges sich im sozialen Be-
wußtsein vollzogen haben, wird ein neuer Tag für
die Menschheit anbrechen.
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UND so wäre denn die Möglichkeit für eine un-
endlich höhere Wirksamkeit der differenzierten
Männlichkeit gegeben, als sie irgendeine frühere Kul-
turperiode bot. Die Umstände, die den Verfall der
primitiven Männlichkeit bedingen, müßten den differen-
zierten Mann an die Spitze der Kultur stellen, auf
jenen Rang, der ihm als ihrem Schöpfer zukommt.
Betrachtet man aber die differenzierte Männlich-
keit, oder konkreter ausgedrückt, die Männer der
geistigen Berufe im Spiegel der herrschenden An-
schauungen und Zustände, so erfährt man eine große
Enttäuschung. Fast zu allen Zeiten und in allen
Kulturländern ist die Bestimmung des Mannes für
ein Leben in der Region der Geistigkeit durch die
soziale Tradition höher eingeschätzt worden als in
der europäischen Kultur der Gegenwart. Sie steht
in dieser Hinsicht, wiewohl sich vielleicht das mensch-
liche Leben noch niemals weiter von seinen primi-
tiven Formen entfernt hat, hinter den Kulturen des
Altertums und des Orients beträchtlich zurück. Ob
es nun wie in China der Literat ist, der in der An-
schauung der Allgemeinheit den ersten Rang ein-
nimmt, oder wie in Indien der Asket, oder wie im
alten Ägypten der Priester— es ist die geistige,
die differenzierte Art Mann, diejenige, deren Lebens-
inhalt die höchste Steigerung des geistigen Ver-
mögens bildet, welcher die Krone des Lebens gehört.
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Zur Kritik der Weiblichkeit
- Titel
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Autor
- Rosa Mayreder
- Verlag
- Eugen Diederichs Verlag
- Ort
- Jena
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 10.5 x 16.5 cm
- Seiten
- 316
- Schlagwörter
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 1
- Grundzüge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges über die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299