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liehe Denken in der Gestalt ist, die es als moderne
Wissenschaft besitzt, so gering ist der sittlich-prak-
tische Einfluß, den es unter den Mächten der Gegen-
wart hat. Der moderne Mann leidet an seiner In-
tellektualität wie an einer Krankheit. Entweder artet
sie zur geistigen Ausschweifung aus, wie bei dem
Typus des Gelehrten, der durch eine ins Extrem ge-
steigerte Einseitigkeit der geistigen Anspannung jedes
Verhältnis zur Totalität des Lebens verliert, oder sie
macht ihn, wie es bei dem gebildeten Mann des
Durchschnitts so häufig geschieht, zu einer unvoll-
kommenen und disharmonischen Erscheinung. Dieser
Halb- und Halbe, der nirgends etwas Ganzes und
Selbstgewisses vorstellt, nicht in der Region der
Geistigkeit und nicht in der Region der primitiven
Männlichkeit, der immer zwischen zwei Welten hängt,
durch Neigung oder Nötigung bald hierhin, bald dort-
hin geschwenkt, er wird durch seine Zucht zur Ver-
feinerung, zur höheren Bildung, zur Überordnung des
Denkens in einen unheilbaren Zwiespalt mit sich
selbst gesetzt.
Ist es nicht auffallend, daß die Männer, durch ihre
intellektuelle Entwicklung auf allen Gebieten zur
Kritik geneigt, dem Begriffe der Männlichkeit gegen-
über am längsten unkritisch bleiben? Sie nehmen
die Übelstände, die sich für sie aus der Inkongruenz
zwischen den herrschenden Normen und den tatsäch-
lichen Verhältnissen ergeben, lieber stillschweigend
hin, ehe sie sich dem Verdachte der Unmännlichkeit
aussetzen. Männlich zu sein, männlich so sehr als
möglich, unbedingt, ungemischt männlich, das gilt
ihnen als Auszeichnung; sie sind unempfindlich für
das Brutale oder Niedrige oder Verkehrte einer
Handlung, wenn sie mit dem traditionellen Kanon
der Männlichkeit übereinstimmt. Diese Furcht, un-
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Buch Zur Kritik der Weiblichkeit"
Zur Kritik der Weiblichkeit
- Titel
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Autor
- Rosa Mayreder
- Verlag
- Eugen Diederichs Verlag
- Ort
- Jena
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 10.5 x 16.5 cm
- Seiten
- 316
- Schlagwörter
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 1
- Grundzüge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges über die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299