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männlich zu erscheinen, einen Mangel an denTugen-
den des primitiven Geschlechtsideales zu zeigen, er-
hält alle atavistisch ungereimten Vorurteile, alle
sinnlos unangemessenen Einrichtungen, an denen das
Leben des modernen Mannes so reich ist.
Wie schwankend und unbestimmt sind aber die
Vorstellungen, die diesem Ehrgeiz der Männlichkeit
zugrunde liegen! Man braucht nur die Bewertung:
je männlicher desto überlegener, einmal dort zu
prüfen, wo sie sich nicht mit dem weiblichen Ge-
schlechte mißt — am nationalen Eigendünkel bei-
spielsweise. Es ist bekannt, daß die romanischen
Nationen sich gegenüber den germanischen als die
männlicheren fühlen; Mantegazza sagt den „blonden
Deutschen" sogar eine mehr weibliche Art zu lieben
nach. Die Deutsc'hen hingegen erkennen diese mehr
weibliche Art den slavischen Männern zu— eine
nationale Überhebung, der Bismarck in seiner An-
rede an die steirische Deputation im April 1895 Aus-
druck gab, indem er sagte: „Ich glaube, wirGermanen
sind durch Gott von Hause aus stärker, ich will
sagen, männlicher ausgestattet; Gott hat den Dua-
lismus in allen Erscheinungen der Schöpfung zwischen
männlich und weiblich dargestellt, und so auch in den
europäischen Konstellationen .... Ich will keinen
Slaven damit kränken, aber sie haben viele der weib-
lichen Vorzüge, sie haben die Grazie, die Klugheit,
die Schlauheit, die Geschicklichkeit"— und deshalb
riet er den Deutschen in Österreich, gegenüber den
Slaven mit dem tiefinnerlichen Gefühl zu verfahren,
daß sie die Überlegenen sind und das leitende Ele-
ment bleiben werden, „wie es der Mann in der Ehe
sein soll".
Wer aber die slavische Literatur kennt, der weiß,
welches minder schmeichelhafte Bild die Slaven von
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Buch Zur Kritik der Weiblichkeit"
Zur Kritik der Weiblichkeit
- Titel
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Autor
- Rosa Mayreder
- Verlag
- Eugen Diederichs Verlag
- Ort
- Jena
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 10.5 x 16.5 cm
- Seiten
- 316
- Schlagwörter
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 1
- Grundzüge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges über die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299