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dem deutschen Mann haben; in ihren Augen ist seine
nationale Eigenart nicht überlegene Männlichkeit, son-
dern kalte Berechnung, Habgier, Dünkelhaftigkeit,
Empfindungsroheit. Und in der Tat — gemessen
an den Äußerungen einer verfeinerten Menschlich-
keit, einer über den Geschlechtsdünkel mit seinen
Vorurteilen hinausgereiften Gemütskultur, wie sie
etwa in Gontscharows „Absturz", in Dostojewskys
„Idiot", in Tschernischewskys „Erzählungen von neuen
Menschen" erscheint, hätten die Deutschen wenig
Ursache, sich als die Überlegenen zu fühlen!
Sucht man nach einem positiven Inhalt für die Vor-
stellungen, die sich, im Gegensatze zur primitiven
Männlichkeit, mit der differenzierten verbinden lassen,
so könnte man allenfalls mit einer Übertragung aus
dem Physischen und Materiellen ins Geistige das
Auslangen finden. Vor allem der Krieg als der aus-
zeichnendste Beruf des Mannes scheint eine solche
Deutung im übertragenen Sinne zuzulassen. Der
Kampf mit materiellen Waffen verwandelt sich in
einen Kampf mit ideellen; der Kriegsschauplatz wird
aus dem realen Leben in das Gebiet des Gedankens
verlegt. Das männliche Element bleibt das streitbare
auch in der geistigen Welt.
Allein das gilt nur mit großen Einschränkungen.
Zu allen Zeiten haben sich an den Kämpfen um
ideale Güter die Frauen, soweit es die jeweilige
soziale Tradition gestattete, hervorgetan; und die
Geschichte der religiösen Bewegungen nicht minder
wie der revolutionären ist reich an Frauengestalten.
Umgekehrt ist für gewisse Typen der Geistigkeit, für
den Künstler wie für den Forscher, ein Leben ab-
seits von allen Kämpfen das förderlichste; und nur
ein banausisches Zeitalter, in dem jeder, der etwas
bedeuten will, Partei ergreifen muß, kann den Re-
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Buch Zur Kritik der Weiblichkeit"
Zur Kritik der Weiblichkeit
- Titel
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Autor
- Rosa Mayreder
- Verlag
- Eugen Diederichs Verlag
- Ort
- Jena
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 10.5 x 16.5 cm
- Seiten
- 316
- Schlagwörter
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 1
- Grundzüge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges über die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299