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ihrer Gebärden. Sie sinnt Tag und Nacht auf neuen
Schmuck, nur auf die Mittel, zu glänzen, und ver-
braucht ihr Leben, um ihre Roben zu mustern, um
Fichus zu zerreißen ... Sie fürchtet die Ehe, weil
sie ihr die Taille verdirbt; aber sie tritt in die Ehe,
weil sie ihr Glück verheißt.**
Der Mann aller Klassen ist während der europäi-
schen Kulturentwicklung zum Typus des Nützlichen
geworden, dasWeib alsDame zumTypus des Schönen.
Das ist um so bemerkenswerter, als darin eine Um-
kehrung der natürlichen Ordnung liegt; denn bei
allen höheren Tieren und auch noch bei allen wilden
oder halbwilden Völkern ist der Schmuck, die glän-
zende Ausstattung der Erscheinung, also die Betonung
des ästhetischen Prinzips, das auszeichnende Vor-
recht des männlichen Geschlechtes. Auch dieGriechen
haben unter dem Ideal der höchsten menschlichen
Vollendung,dem Kalokagathos, einenMann verstanden.
Alle Vorzüge, die später Eigentum der Dame werden,
die raffinierte Pflege des Körpers, die vollendete An-
mut in Sprache und Gebärden, das harmonische
Gleichgewicht körperlicher und geistiger Ausbildung,
der sichere Takt in der Beherrschung der Umgangs-
formen, das wohlabgewogene Maß, die sittliche Be-
sonnenheit — als schöne Männlichkeit hat sie die
griechische Kultur gefeiert. Die Krone der Schöpfung
zur Zeit der Hellenen war der Mann; in der Kultur
der modernen Völker ist sie, wenigstens im gesell-
schaftlichen Leben, die Dame.
Man könnte wohl die Stellung des Weibes als Dame
aus einer Entfaltung und Geltendmachung spezifisch
weiblicher Genialität zu erklären versuchen. Zwar
gilt es heutzutage für ausgemacht, daß das Genie
nur beim männlichen Geschlecht auftritt. Dabei über-
sieht man aber, daß die weibliche Genialität sich ge-
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Zur Kritik der Weiblichkeit
- Titel
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Autor
- Rosa Mayreder
- Verlag
- Eugen Diederichs Verlag
- Ort
- Jena
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 10.5 x 16.5 cm
- Seiten
- 316
- Schlagwörter
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 1
- Grundzüge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges über die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299