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wahrscheinlich für die große Mehrzahl— wird das,
was sie unter Kameradschaft verstehen, weitab liegen
von den Vorstellungen, die sie sich über den Um-
gang mit Weibern machen. Im Grunde ist immer
noch der primitive herrische Typus im Verhältnis
von Mann und Weib der dominierende. Selbst in der
Blütezeit des ritterlichen Verhältnisses haben be-
kanntlich nur die obersten Klassen, diejenigen, die
durch eine bevorzugte Lebensstellung die Träger der
geistigen Verfeinerung oder wenigstens der eleganten
Mode waren, daran teilgenommen; und auch inner-
halb dieser Klassen erstreckte sich die Verehrung
des Weibes keineswegs auf das Eheleben. Nicht die
Gattin, die Lebensgefährtin, genoß die Ehren des
Dienstes, nur die Geliebte, die ferne und unzugäng-
liche Frau eines anderen.
Was sich in diesen drei Typen, dem herrischen,
dem ritterlichen und dem kameradschaftlichen, vor
allem ausdrückt, ist die psychosexuelle Individualität,
die besondere, angeborene Disposition im Verhalten
des einzelnen Mannes gegenüber dem Weibe. Wenn
auch in verschiedenen Epochen der menschlichen
Kultur der eine oder der andere Typus mehr hervor-
tritt und den allgemeinen Zuständen nach dieser
Richtung seinen Charakter verleiht, bestehen sie doch
gleichzeitig nebeneinander fort. Die vornehmen
griechischen Hetären, die „Gesellschafterinnen" des
Mannes, haben als die ersten dem erotischen Ver-
kehr ein Gebiet geistiger Gemeinsamkeit erobert,
indem sie an der Bildung und den Interessen der
Männer teilnahmen. In diesen illegitimen Beziehungen
milderte und verfeinerte sich zuerst der männliche
Herreninstinkt, bis er in der Sphäre der schönen
Geselligkeit die Herrschaft des Weibes unter der
Form der Dame legalisierte.
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Zur Kritik der Weiblichkeit
- Titel
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Autor
- Rosa Mayreder
- Verlag
- Eugen Diederichs Verlag
- Ort
- Jena
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 10.5 x 16.5 cm
- Seiten
- 316
- Schlagwörter
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 1
- Grundzüge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges über die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299