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übrigen Zwangsmaßregeln der Wohlerzogenheit? Sind
es nicht ganz andere Mächte, die das junge Mädchen
so präpariert haben wollen, wie dies durch die
Familienliteratur geschieht? Die den Typus des Weibes
wünschen und voraussetzen, welcher auf diesem Wege
gezüchtet wird?
Aber so unwichtig, so nichtssagend, wie es im
Sinne dieser Mächte wäre, ist das weibliche Ge-
schlecht als geistiger Faktor denn doch nicht. Wer
den Kampf der Frauen um die männliche Bildung
als eine bloße Liebhaberei Einzelner oder nur als
interne Frage der Frauenbewegung betrachtet, über-
sieht den Zusammenhang, den jede Kulturbewegung
mit dem ganzen Gebiete der Kultur besitzt. Er
übersieht unter anderem die Bedeutung der Frauen
als Konsumenten der literarischen Produktion. Die
historische Entwicklung der Familienliteratur zeigt,
daß in demselben Maße, als die Bildung des weib-
lichen Geschlechtes hinter der des männlichen zurück-
bleibt, jene Trennung in der Literatur platzgreift, die
schließlich ein monströser Auswuchs im Geistesleben
des neunzehnten Jahrhunderts geworden ist. Und
dieses Symptom einer tiefen organischen Störung
wird erst dann zurückgehen, wenn seine Ursachen
behoben sind.
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Buch Zur Kritik der Weiblichkeit"
Zur Kritik der Weiblichkeit
- Titel
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Autor
- Rosa Mayreder
- Verlag
- Eugen Diederichs Verlag
- Ort
- Jena
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 10.5 x 16.5 cm
- Seiten
- 316
- Schlagwörter
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 1
- Grundzüge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges über die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299