Seite - 211 - in Zur Kritik der Weiblichkeit
Bild der Seite - 211 -
Text der Seite - 211 -
es nicht im Rechte neben sich dulden will—? Denn
die Männer, die für eine Sache leiden, und die Män-
ner, die eine Sache durchsetzen, sie zur Herrschaft
bringen, sind wohl ganz verschiedener Art. Und
diese Verschiedenheit bleibt nicht ohne Einfluß auf
die Stellung, die sie dem Weibe gegenüber einnehmen.
Die wenigsten sind fähig, eine Unterscheidung zwi-
schen ihrem subjektiven Geschmack und den Anfor-
derungen einer objektiven Gerechtigkeit zu machen.
Die Eigenschaften, die sie für ihre Person am Weibe
brauchen und begehren, stellen sie als Norm über
das ganze Geschlecht.
Das gilt allerdings nur von den Männern einer be-
stimmten Eigenart — von den Männern der herri-
schen Erotik. Es ist ein Fehler, der in den Kreisen
der Frauenbewegung nur zu oft begangen wird, daß
man vom Manne schlechtweg redet, während doch
die Frauen unmöglich übersehen können, was sie der
Güte, der Großmut, der Gerechtigkeit einzelner Män-
ner verdanken. Wenn diese einzelnen nicht die Macht
besaßen, ihre persönliche Stellung, gegenüber dem
Weibe in der sozialen Ordnung zur Geltung zu
bringen, so konnten sie eben gegen die Mehrzahl
nicht aufkommen— ganz wie die einzelnen Frauen
bisher, die das Durchschnittsmaß ihres Geschlechtes
überragten.
Für die herrische Männlichkeit sind die erotischen
Beziehungen mit der Vorstellung verknüpft, daß das
Weib ein untergeordnetes und unterordnungsbedürf-
tiges, für die Zwecke des Mannes geschaffenes und
von ihm grundverschiedenes Wesen ist. Die erotische
Erregung löst bei diesen Männern Herrschaftsgefühle
aus; ihnen bedeutet das Verhältnis zum Weibe ein
Besitzergr'jifen, einen Machtgenuß, und anders als
unterworfen und abhängig können sie das Weib nicht
14»
211
zurück zum
Buch Zur Kritik der Weiblichkeit"
Zur Kritik der Weiblichkeit
- Titel
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Autor
- Rosa Mayreder
- Verlag
- Eugen Diederichs Verlag
- Ort
- Jena
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 10.5 x 16.5 cm
- Seiten
- 316
- Schlagwörter
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 1
- Grundzüge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges über die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299