Seite - 223 - in Zur Kritik der Weiblichkeit
Bild der Seite - 223 -
Text der Seite - 223 -
heits- und Herrenbewußtsein eben nur in der sexu-
ellen Sphäre und sonst nirgends begründet ist. Für
diese Männer bildet das Weib das geeignetste Publi-
kum; so sehr sie sich über dasselbe erhaben fühlen,
so wenig können sie seiner entraten. Ihr Verkehr
mit dem weiblichen ^Jeschlecht hat immer etwas von
der vulgären Prahlerei, die sich am Schwächeren zu
messen liebt. Wie zahm und fügsam sie auch sonst
beschaffen sind, dem Weibe gegenüber lieben sie es,
sich mit der großmäuligen Maske auszustaffieren, die
in den Dramen der kriegerischen Männlichkeit ge-
tragen wurde, und mit den Schwertern zu rasseln,
die ihre friedlichen Hände längst nicht mehr hand-
haben können.
Dieses renommistische Auftreten der Männlichkeit
— das sich nicht bloß auf den Umgang mit Frauen be-
schränkt— hat für den unbeteiligten Beobachter eher
einen komischen Anstrich. Und doch gehört ein ge-
wisser Grad von Prahlerei zur erotischen Ausrüstung
des Mannes, da die Natur selbst ihn darauf als auf
ein Hilfsmittel der Werbung und Eroberung verweist,
dessen sich auch der unschuldige Pfau bedient, wenn
er vordem Weibchen sein Rad entfaltet. Ohne Zweifel
liegt in der Prahlerei viel suggestive Gewalt, nament-
lich jenen Frauen gegenüber, auf die ein Mann nur
wirkt, wenn er seine Überlegenheit hervorkehrt.
Man kann die Prahlerei als das typisch männliche
Geschlechtslaster bezeichnen— womit beileibe nicht
gesagt sein soll, daß sie unter den Frauen nicht vor-
komme. Sie spielt bei dem männlichen Geschlecht
ungefähr die Rolle, wie bei dem weiblichen das buh-
lerische Element, die Koketterie; oder wenn man
will, ist sie die männliche Form der Koketterie, weil
ja auch diese nichts anderes als ein Hilfsmittel der
sexuellen Anlockung bedeutet.
223
zurück zum
Buch Zur Kritik der Weiblichkeit"
Zur Kritik der Weiblichkeit
- Titel
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Autor
- Rosa Mayreder
- Verlag
- Eugen Diederichs Verlag
- Ort
- Jena
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 10.5 x 16.5 cm
- Seiten
- 316
- Schlagwörter
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 1
- Grundzüge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges über die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299