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4 A. Klärner et al.
aus, dass soziale Prozesse sowie Handlungen nicht alleine durch akteursspezifi-
sche Attribute wie beispielsweise soziodemografische Merkmale der Individuen
(z. B. Alter, Geschlecht, Ethnie, Bildungsstand) zu erklären sind, sondern durch
die Einbettung in ihr soziales Umfeld wie Familie, Freunde, Verwandte oder
Bekannte. Die Netzwerkperspektive fokussiert damit auf die Meso-Ebene1 der
sozialen Beziehungen zwischen Individuen. Das soziale Umfeld wird somit als
Struktur der sozialen Beziehungen verstanden, die Handlungsspielräume eröffnet
oder einschränkt und etwa auch die Art und Weise beeinflusst, wie die Akteure
sich selbst und ihre Handlungsfähigkeit wahrnehmen (vgl. Gamper 2015).
Zentral ist dabei, dass im Rahmen der Netzwerkforschung nicht nur
einzelne Beziehungen oder Dyaden analysiert werden, sondern auch, wie
einzelne Beziehungen untereinander verflochten sind und welche Struktur diese
Beziehungsgeflechte aufweisen (Häußling 2010)2. Interagierende Individuen,
Paare, Familien und andere Interaktionseinheiten (auch Institutionen oder Orga-
nisationen) lassen sich demnach als „Gruppen interdependenter Menschen“ bzw.
als „Netzwerke von Individuen“ (Elias 2014, S. 12 und 14) begreifen, und kul-
turelle Normen und Werte von Individuen werden in Sozialisationsprozessen
sowie in alltäglichen Interaktionen mit ihren Mitmenschen gelernt, reproduziert,
aber auch verändert. In der Sprache der neueren Netzwerktheorie werden Indi-
viduen (oder auch Organisationen und Institutionen) als Akteure begriffen, die
„eingebettet“ (Granovetter 1985) sind in ein relationales Netzwerk sozialer
Beziehungen, das Handlungsmöglichkeiten eröffnet oder restringiert (vgl. Burt
1982; Emirbayer und Mische 1998; Fuhse und Mützel 2010; Häußling 2010;
Wellman 1988). Je nach der Stellung bzw. „Einbettung“ des Individuums in ein
solches Netzwerk und nach der Netzwerkzusammensetzung und -struktur, hat
das Individuum beispielsweise einen ganz spezifischen Zugang zu Ressourcen
1Als Mikroebene kann die des individuellen Akteurs, als Makroebene der gesellschaftliche
Kontext (Systemebene) und die Rahmenbedingungen verstanden werden.
2Der Begriff des sozialen Netzwerks hat nicht zuletzt durch soziale Medien wie Facebook
und Twitter an Popularität gewonnen, wird sowohl alltagssprachlich als auch in wissen-
schaftlichen Kontexten in zunehmendem Maße genutzt. In vielen Studien wird er aber
lediglich als Metapher für Beziehungen oder Interaktionen verwandt, ohne dass hier tat-
sächlich die Strukturen dieser Beziehungen betrachtet werden, strukturale Analysen durch-
geführt werden oder eine Einbettung in theoretische Überlegungen der Netzwerkforschung
gesucht wird. Daher ist es wichtig zu bedenken, dass nicht alle Arbeiten, die den Netzwerk-
begriff verwenden, auch eine strukturelle Netzwerkperspektive einnehmen, wie wir sie hier
propagieren und als gewinnbringend erachten.
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Buch Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten - Eine neue Perspektive für die Forschung"
Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Titel
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Untertitel
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Autoren
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Herausgeber
- Nico Vonneilich
- Verlag
- Springer VS
- Ort
- Wiesbaden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Abmessungen
- 14.5 x 21.0 cm
- Seiten
- 436
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369