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69Wirkmechanismen
in sozialen Netzwerken
gleich starke Effekte zeigen und dass die vermeintliche Eindeutigkeit mög-
licherweise einer genaueren Betrachtung bedarf – insbesondere auch im Hin-
blick auf die Zusammensetzung und Struktur von Unterstützungsnetzwerken.
So fand etwa die Studie von DiNicola et al. (2013) anhand einer Befragung von
über 400 COPD-Patienten1, dass ein hohes Maß an erhaltener praktischer Unter-
stützung durch das Netzwerk die Ängstlichkeit der Patienten sogar signifikant
positiv vorhersagte. Aber es scheint mitunter auch darauf anzukommen, aus wel-
chen konkreten Quellen eine derartige Unterstützungsleistung stammt und auch
welche spezifische Form von Unterstützung dabei geleistet wird. So fanden etwa
Huxhold et al. (2010) mit Daten des repräsentativen Deutschen Alterssurveys
(DEAS), dass bei älteren Menschen die erhaltene instrumentelle Unterstützung
durch Freunde oder Bekannte erwartungsgemäß das subjektive Wohlbefinden
erhöht, während dieselbe Form der Unterstützung jedoch das Wohlbefinden redu-
ziert, wenn sie von Verwandten geleistet wird. Für andere Formen sozialer Unter-
stützung scheint dies nicht in der gleichen Weise zu gelten, so fanden Primomo
et al. (1990) anhand einer Studie mit 125 depressiven Frauen, dass sich die emo-
tionale Unterstützung (affirmation), die von Familienmitgliedern geleistet wird,
positiv auf die Genesung auswirkt, dieselbe Unterstützungsleistung von Freunden
aber ohne Effekt bleibt.
Insgesamt besteht offenbar Bedarf nach differenzierteren, zum Beispiel netz-
werkanalytischen Unterstützungsstudien, um die unterschiedlichen Wirkmecha-
nismen eindeutiger benennen zu können. Konträr zum positiven Zusammenhang
von Unterstützung und Gesundheit folgern jüngst Gleason und Iida (2015) in
einer einschlägigen Übersicht, dass Unterstützungsleistungen, sofern man sie
konkret beobachtet, häufiger als bislang vermutet auch negative oder keine
Effekte auf Gesundheitsmaße haben können – etwa dadurch, dass der Empfänger
sich für unselbstständig erachtet oder zu einer Gegenleistung genötigt sieht. So
schließen die Autoren mit zahlreichen notwendigen Verbesserungen in der aktu-
ellen Unterstützungsforschung wie zum Beispiel einer klareren Unterscheidung
zwischen förderlicher und schädlicher sowie zwischen direkter (z. B. emotionaler,
instrumenteller) und indirekter (z. B. absichtlicher Rückzug, Nichtbeachtung von
1COPD bedeutet „chronic obstructive pulmonary disease“, d. h. eine chronische Lungen-
erkrankung durch Verengung der Atemwege. Diese Krankheit bildet sich auch bei
Behandlung nicht wieder vollständig zurück (vgl. https://www.lungeninformationsdienst.
de/krankheiten/copd/grundlagen/index.html; Zugriff: 07.02.2019).
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Buch Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten - Eine neue Perspektive für die Forschung"
Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Titel
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Untertitel
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Autoren
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Herausgeber
- Nico Vonneilich
- Verlag
- Springer VS
- Ort
- Wiesbaden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Abmessungen
- 14.5 x 21.0 cm
- Seiten
- 436
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369