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75Wirkmechanismen
in sozialen Netzwerken
Neben sozialem Lernen und sozialem Druck sind andere Formen sozialen
Einflusses auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Akteuren denkbar: So
können Probleme von Netzwerkpartnern wie etwa chronische und andere schwere
Krankheiten, Drogensucht, Schulden, langandauernde Arbeitslosigkeit etc. auch
zu Problemen von Ego und anderen, nicht direkt betroffenen Netzwerkpartnern
werden. Gerade in engen, intimen Beziehungen oder in Eltern-Kind-Beziehungen
ist es sogar typisch, dass Probleme dieser Art von einer Person im Netzwerk weit-
reichende Effekte auf andere Netzwerkmitglieder haben, auch gesundheitlicher
Art (sogenannte spill-over-Effekte; Wendt et al. 2008).
Die bisherigen Ausführungen zu Einfluss- oder Druckmechanismen
in Beziehungsnetzen wurden stark unter der Wirkrichtung von sozialen
Beziehungen auf das Individuum konzipiert, solche Effekte werden jedoch auch
in der umgekehrten Richtung untersucht. Beispielhaft für diese andere Sichtweise
stehen die Begriffe der social compliance oder social conformity (Guadagno
2017; Hodges 2017). Konformität (conformity) bezeichnet dabei eine individu-
ell initiierte oder intendierte (Gesundheits-)Verhaltensänderung mit dem Ziel,
darin mit Anderen Übereinstimmung zu erreichen. Soziale Einwilligung (compli-
ance) beschreibt eine bewusste individuelle (Gesundheits-)Verhaltensänderung,
die als direkte Reaktion auf eine Anforderung Anderer geschieht. Welche
genauen Bedingungen und Mechanismen dabei notwendige oder hinreichende
Bedingungen gesundheitlicher Verhaltensänderungen sind, ist Gegenstand der
Forschung. Aktuelle Arbeiten zeigen für beide Mechanismen die Bedeutung der
sogenannten lokalen Dominanz (local dominance; vgl. Suls und Wheeler 2017,
S. 82 f.). Dies bedeutet, dass emotional nahe und selbstähnliche (homophile)
Beziehungen im Netzwerk eine hohe Bedeutung für Konformitäts- und Ein-
willigungseffekte haben. Individuen werden auch von allgemeinen deskriptiven
oder injunktiven Normen zu Konformität oder Einwilligung veranlasst, diese
Effekte werden aber verstärkt, wenn – so eine häufige Operationalisierung in der
aktuellen Forschung – die fünf wichtigsten Bezugspersonen eines Befragten als
Quelle dieser Normen genannt werden.
2.4 Soziale Ansteckung
Die Forschung zur sozialen Ansteckung konzentriert sich vor allem auf den
konkreten Mechanismus einer unmittelbaren (häufig: physischen, emotionalen,
unbewussten) Übertragung von gesundheitsrelevanten Einheiten (häufig: Krank-
heitserregern, Affekten, Motiven) zwischen Akteuren. Die klassische Form der
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Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Titel
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Untertitel
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Autoren
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Herausgeber
- Nico Vonneilich
- Verlag
- Springer VS
- Ort
- Wiesbaden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Abmessungen
- 14.5 x 21.0 cm
- Seiten
- 436
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369