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90 P. Adebahr
Schnittstellen mit negativen Aspekten sozialer Beziehungen auf. Beispiels-
weise ist im General Aggression Modell die Dimension externe „Person“
als Bedingungsfaktor aufgeführt (Allen et al. 2018). Einen Überblick zur
Aggressions- und Gewaltforschung bieten Heitmeyer und Hagan (2002)
und Bogerts und Möller-Leimkühler (2013). Bei häuslicher Gewalt besteht
hingegen eine Verbindung zwischen den Personen (gemeinsames Wohnen),
und auch wenn nicht immer eine Absicht unterstellt wird, wird die Tat den-
noch als schädigend oder belastend erlebt. Damit erfüllt sie für das Opfer
in der Regel die Definitionskriterien negativer Beziehungsaspekte.
Aggregierte Einstellungen bilden die zweite Konzeption von negativen Ver-
bindungen. Danach sind weniger die Einzelsituationen von Bedeutung für die
Beschreibung einer „Verbindung“, sondern vielmehr die Gesamtbewertung
der Beziehung bzw. Egos Einstellung zu Alter. Einer Definition von Labianca
und Brass zufolge werden negative Verbindungen dann als ein andauerndes,
wiederkehrendes Set von negativen Bewertungen, Gefühlen und Verhaltens-
intentionen gegenüber Alter definiert (Labianca und Brass 2006, S. 597).2 Labi-
anca und Brass argumentieren, dass Ego ähnlich einem Buchhaltungskonto
eine Gesamteinschätzung (mögen/like oder ablehnen/dislike) entwickelt (ein
sogenanntes „negative person schema“; ebd.). Die Gesamtbewertung als „nega-
tive Beziehung“ ist bei näherer Betrachtung ebenfalls problembehaftet. Negative
Aspekte sind in der Regel mit Ambivalenz verbunden bzw. mit einer Gleich-
zeitigkeit von positiven und negativen Beziehungsaspekten, da eine rein negative
Beziehung nach Klein Ikkink und van Tilburg (1999) aufgrund fehlenden Nut-
zens in der Regel aufgelöst wird (siehe zu Ambivalenz auch Ajzen 2001; Coser
2009; Lüscher 2011; Simmel 1908, S. 186–225). Entsprechend der Gleichrangig-
keit beider Beziehungsaspekte wird es den Individuen schwerfallen, eine „posi-
tive oder negative“ Gesamteinschätzung zu geben. Zu vermuten ist die Verzerrung
zugunsten positiver Gesamtbewertungen, da Ego die Beziehung strategisch nutzt
und so die positiven Aspekte in den Vordergrund stellt.
2Damit schließen Labianca und Brass an Heider und die Einstellungsforschung (engl. atti-
tudes) an, die ebenfalls die kognitive, affektive und behaviorale Dimension aufgreifen vgl.
Ajzen (2001); Banaji und Heiphetz (2010); Heider (1946), sowie an die ‚social ledger theo-
rie‘ Labianca und Brass (2006).
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Buch Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten - Eine neue Perspektive für die Forschung"
Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Titel
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Untertitel
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Autoren
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Herausgeber
- Nico Vonneilich
- Verlag
- Springer VS
- Ort
- Wiesbaden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Abmessungen
- 14.5 x 21.0 cm
- Seiten
- 436
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369