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93Negative
Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten
2 Negative Beziehungsaspekte und Gesundheit
Obgleich negative Beziehungsaspekte seltener sind als positive (Labianca und
Brass 2006; Offer und Fischer 2018), deuten empirische Befunde darauf hin,
dass in bestimmten Fällen Belastungen aus sozialen Beziehungen einen größe-
ren gesundheitsbezogenen Effekt erzeugen als positive Beziehungsaspekte (Rook
1998; Brooks und Dunkel Schetter 2011). Die Frage, wie häufig negative Ver-
bindungen auftreten, wird unterschiedlich beantwortet. Je nach Sample und Ope-
rationalisierung, ergibt sich eine Prävalenz „negativer Beziehung“ in persönlichen
Netzwerken von bis zu 8 Prozent (Zusammengetragen von Labianca und Brass
2006, S. 597). Neuere Erkenntnisse weisen darauf hin, dass der Anteil in der all-
gemeinen Bevölkerung weitaus größer sein könnte. Offer und Fischer (2018, S. 1)
berichten für die erste Welle der Studie UCNets (University of California Social
Networks Study), dass 15 % aller Beziehungen als „sometimes demanding or dif-
ficult“ eingeschätzt werden. Untersucht wurden zwei Kohorten, 21- bis 30-Jährige
und 50- bis 70-Jährige. Bezogen auf die Effekte weist Rook (1984) für ältere ver-
witwete Frauen nach, dass die Anzahl an belastenden Beziehungen das psychische
Wohlbefinden stärker beeinflussen als die Anzahl unterstützender Beziehungen.
Ähnliches bezeichnen Cacioppo und KollegInnen mit dem Begriff „negati-
vity bias“, nachdem negativen Informationen im Gehirn größere Bedeutung
zugeschrieben wird als positiven (Cacioppo und Gardner 1999; Ito et al. 1998).
2.1 Negative Aspekte sozialer Beziehungen und
körperliche Gesundheit
Insofern negative Aspekte sozialer Beziehungen aufgrund starker Exit-Barrieren
oft dauerhaft sind, kann hier von einem chronischen sozialen Stressor gesprochen
werden. Dies führt zu wiederkehrender oder langanhaltender Aktivierung des
Körpers durch die Stressreaktion. Das meint, der Körper wird in den „fight-or-
flight“-Zustand versetzt (Cannon 1932).3 Es erfolgt eine Steigerung des Herz-
schlags und Blutdrucks, verstärkte Lungenventilation sowie Freisetzung von
3Mittlerweile ist bekannt, dass die Stressreaktion vom Kontext, seiner Wahrnehmung
sowie von individuellen und sozialen Faktoren abhängt. Beispielsweise wird die weibliche
Stressreaktion als ‚tend-and-befriend‘-Reaktion (deutsch: sich kümmern und Anfreunden)
beschrieben (zuerst Taylor et al. 2000; vertiefend siehe Seidel et al. 2013).
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Buch Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten - Eine neue Perspektive für die Forschung"
Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Titel
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Untertitel
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Autoren
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Herausgeber
- Nico Vonneilich
- Verlag
- Springer VS
- Ort
- Wiesbaden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Abmessungen
- 14.5 x 21.0 cm
- Seiten
- 436
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369