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96 P. Adebahr
(Hobfoll 1998).4 Darin wird zwischen aktivem/passiven sowie pro-/antisozialem
Coping (Bewältigungsverhalten) unterschieden. Eine pauschale Antwort auf die
Frage nach dem Zusammenhang der einzelnen Copingstrategien mit Gesundheit
stößt, in Hinblick auf die vielen Einzelphänomene, schnell an seine Grenzen. Im
Folgenden werden die vier Typen am Beispiel Fat-Shaming erläutert. Fat-Sha-
ming bezeichnet die „diskreditierende, meist öffentliche Äußerung gegenüber
vermeintlich übergewichtigen Personen in Form von konkreter Kritik aufgrund
des Gewichts, die als beleidigend gemeint oder verstanden wird“ (Adebahr und
Lehmann 2017, S. 2).
• Passiv prosoziales Coping besteht in vorsichtigem Handeln, z. B. in der Ver-
meidung des Kontakts mit dem Beleidigenden.
• Passives antisoziales Coping umfasst instinktives Handeln (passiv), bei der die
spontane Reaktion negative Konsequenzen mit sich bringen kann (antisozial).
Zum Beispiel sinkt durch das Fat-Shaming die Motivation der übergewichtigen
Person, sich sportlich zu betätigen, Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch zu
nehmen, und es entsteht eine ablehnende Haltung zu Diäten (Alegria Drury
und Louis 2002; Puhl und Brownell 2006; Sykes und McPhail 2008).
• Aktives prosoziales Coping besteht in der Suche nach Unterstützung und der
Bildung von Koalitionen. Bei Fat-Shaming könnte das dem Anschluss an die
Fat-Positive-Bewegung gleichkommen.
• Aktiv antisoziales Coping zeigt sich beispielsweise durch Gewalttaten (aktiv)
mit entsprechenden Verletzungsabsichten (antisozial). Beispiele bilden das
Beleidigen oder Schlagen des Fat-Shamers.
Copingstrategien können gesundheitsförderliches Verhalten verstärken. Die Teil-
nahme an einer Selbsthilfegruppe für Übergewichtige erhöht beispielsweise die
Wahrscheinlichkeit der Gewichtsreduktion. Genauso könnten aber auch gesund-
heitshemmende Verhaltensweisen eingeleitet werden. So senkt Fat-Shaming
beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, sich sportlich zu betätigen (Sykes und
McPhail 2008). Welches Verhalten gewählt wird, gilt es für jedes Phänomen mit-
hilfe sozialer Handlungstheorien und empirischer Forschung einzeln zu erklären
(beispielhaft siehe Rook et al. 2011).
4Das Multiaxiale Copingmodell enthält eine zusätzliche Achse (direkt vs. indirekt), welche
primär kulturspezifische Unterschiede beim Coping abbildet (Hobfoll 1998). Kulturunter-
schiede stehen jedoch nicht im Fokus dieses Beitrags, weshalb das Dualaxiale Copingmo-
dell vorgestellt wird.
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Buch Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten - Eine neue Perspektive für die Forschung"
Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Titel
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Untertitel
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Autoren
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Herausgeber
- Nico Vonneilich
- Verlag
- Springer VS
- Ort
- Wiesbaden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Abmessungen
- 14.5 x 21.0 cm
- Seiten
- 436
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369