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98 P. Adebahr
Analyse von Offer und Fischer der Zusammenhang zwischen Einkommen und der
Anzahl von als schwierig eingeschätzten Personen nicht signifikant, wohingegen
Bildung einen signifikanten Zusammenhang mit als schwierig eingeschätzten
Personen aufweist. In der Altersgruppe zwischen 50 und 70 Jahren haben Perso-
nen mit einem Bildungsabschluss unter Bachelor weniger Personen im Netzwerk,
die sie als schwierig einschätzen, allerdings gleichzeitig mehr Personen, die sie
als ambivalent wahrnehmen (Offer und Fischer 2018).5 Zusammenfassend korre-
lieren existenzielle finanzielle Schwierigkeiten unabhängig von der Bildung mit
negativen Interaktionen, wohingegen die Anzahl als schwierig wahrgenommener
Personen vom Bildungsgrad (unabhängig vom Einkommen) abhängt. Nach
Vogli et al. (2007) sind zudem Personen in statusniedrigeren Beschäftigungsver-
hältnissen eher negativen Aspekten sozialer Beziehungen ausgesetzt als Personen
in höheren Statusgruppen. Nachdem nun einige empirsche Befunde dargelegt
sind, werden im Folgenden drei mögliche Erklärungsanätze umrissen.
Eine Argumentation, die den Zusammenhang zwischen finanziellen Problemen
und negativen Aspekten sozialer Beziehungen zu erklären versucht, stammt von
Krause et al. (2008). Sie argumentieren, dass die eingeschränkte Ressourcenaus-
stattung (Erklärungsansatz 1) und Hilfsbedürftigkeit von Personen mit niedrigem
sozioökonomischem Status (SES) die Erbringung einer adäquaten Gegenleistung
erschweren, was letztlich eher zu Belastungen und sozialen Spannungen führt.
Eng umgrenzte soziale Netzwerke tendieren zur Statushomogenität der Mitglieder
(Belle 1983; Phan et al. 2009).6 Das bedeutet, dass im sozialen Netzwerk status-
niedriger Personen eher Personen mit finanziellen Schwierigkeiten vorhanden
sind, was wiederum die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten sozialer Spannun-
gen durch finanzielle Schwierigkeiten erhöht. Hobfoll (1998, S. 208) bezeichnet
diesen tief greifenden Effekt als „pressure cooker effect“. Wenn Personen sel-
ber zu wenig Ressourcen besitzen, um Probleme zu bewältigen, wird es ihnen
schwerfallen, andere bei deren Problemen zu unterstützen (Krause et al. 2008).
Empirisch untermauert wird dies durch die Beobachtung, dass die Unterstützung
aus Netzwerken statusniedriger Personen oft geringer ausfällt, sporadisch, nicht
verlässlich und von Spannungen geprägt ist (Offer 2012, S. 789).
Diesem Erklärungsansatz stehen andere entgegen. Im Sinne sozialisations-
theoretischer Überlegungen (Erklärungsansatz 2) kann beispielsweise argu-
mentiert werden, dass Personen niedriger sozialer Statusgruppen eher Konflikte
5Ergebnisse für die Altersgruppe 21–30 sind nicht signifikant bezogen auf die Bildung.
6Der Prozess, nachdem sich Personen nach gleichen Merkmalen in soziale Gruppen finden,
wird in der Netzwerkforschung als Homophilie bezeichnet Lin (2000).
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Buch Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten - Eine neue Perspektive für die Forschung"
Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Titel
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Untertitel
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Autoren
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Herausgeber
- Nico Vonneilich
- Verlag
- Springer VS
- Ort
- Wiesbaden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Abmessungen
- 14.5 x 21.0 cm
- Seiten
- 436
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369