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123Netzwerkanalyse
– eine methodische Annäherung
Die qualitative Forschung ist innerhalb der Netzwerkanalyse eher unter-
repräsentiert, hat in den letzten 20 Jahren aber deutlich an Bedeutung gewonnen.
Im Gegensatz zu den quantitativen Ansätzen, stehen hier das Verstehen von
Zusammenhängen bzw. Mechanismen und die subjektive Sichtweise der Akteure
ihre Netzwerke im Fokus. Das Interesse liegt auf den Geschichten hinter den
Beziehungen, da Netzwerke nach White (2008) keine gegebenen Wirklichkeiten
darstellen, sondern phänomenologische Konstrukte sind, die durch die Akteure
mit Sinn belegt werden (siehe auch Kap. „Netzwerktheorie(n)“). Als Substrat
sozialer Netzwerke gelten hier die sogenannten „stories“ (Beschreibungen bzw.
Sinndeutungen), die es ermöglichen, Ereignisse so zu strukturieren, dass sie als
Teil einer Beziehungsgeschichte fungieren, welche den subjektiv-sozialen „Sinn“
der Beziehung beinhaltet. Um also das Entstehen von Netzwerken beziehungs-
weise die dynamische Veränderung von Netzwerken konstruieren zu können,
müssen die Geschichten der Personen und die Handlungsmöglichkeiten im jewei-
ligen Kontext verstanden werden (White 2008; Schweizer 1996).
Die theoretische Diskussion um eine kulturelle bzw. konstruktivistische
Öffnung (z. B. White 2008; Emirbayer 1997) der Netzwerkforschung geht ein-
her mit dem Bedarf an weniger standardisierten bzw. qualitativ-methodischen
Ansätzen (Hollstein und Straus 2006; Schönhuth et al. 2013). Das Vorgehen
kann sehr unterschiedlich sein. Hier soll die sogenannte visuelle Netzwerk-
forschung (Gamper und Kronenwett 2012) vorgestellt werden, die in der quali-
tativen Netzwerkforschung dominierend ist. Seit den 1980er Jahren kommen
sogenannte Netzwerkkarten (Kahn und Antonucci 1980; Kupfer 2018) und
Netzwerkzeichnungen (z. B. Straus 2002; Schönhuth et al. 2013; Gamper und
Kronenwett 2012) bei der Datenerhebung zum Einsatz, mit deren Hilfe subjek-
tive Erfahrungen und Einstellungen der Akteure erhoben werden. Die offenste
Form der visuellen Netzwerkforschung stellt die Netzwerkzeichnung dar. Durch
einen Erzählstimulus zeichnet der/die Befragte sein individuelles Netzwerk auf
ein nicht vorstrukturiertes Blatt oder rekonstruiert dieses mithilfe von eines Soft-
wareprogramms (z. B. VennMaker). So werden innere Netzwerkbilder, ohne eine
konkrete Vorgabe durch den Forscher bzw. die Forscherin, sichtbar gemacht.
Die subjektive Sinnzuschreibung geschieht durch die Beforschten, wobei die
Bewertung im Rahmen einer kommunikativen Validierung erfolgt. Durch die
geführten Interviews fließen die Aussagen und Interpretationen in die Analyse mit
ein (Heinze und Klusemann 1979; Mayring 2002).
Aufgrund der Offenheit der Netzwerkzeichnung und der Interviews ist eine
quantitative Auswertung nicht möglich. Hingegen können Netzwerkkarten als
Landkarten von sozialen Beziehungen beschrieben werden, mit deren Hilfe Indivi-
duen ihre sozialen Netzwerke visualisieren. Anders als bei Netzwerkzeichnungen
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Buch Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten - Eine neue Perspektive für die Forschung"
Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Titel
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Untertitel
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Autoren
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Herausgeber
- Nico Vonneilich
- Verlag
- Springer VS
- Ort
- Wiesbaden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Abmessungen
- 14.5 x 21.0 cm
- Seiten
- 436
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369