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145Soziale
Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit
Der Begriff des „family social capital“ leidet zum Teil unter seiner theoretischen
Unschärfe und der Breite der Messindikatoren, die hier subsumiert werden.1 Dem
Sozialkapital zugerechnet werden sowohl die familiale Kohäsion, die Qualität der
Eltern-Kind-Beziehung (z. B. Kontakthäufigkeit, emotionale Nähe) als auch struk-
turelle Aspekte des kindlichen Netzwerks bzw. des Elternnetzwerks. Zu letzteren
zählen z. B. Netzwerkgröße, -dichte und -zentralität (Alvarez et al. 2017).
Alvarez et al. (2017) haben hierzu auf Basis eines Literaturüberblicks eine
Übersicht erstellt, die in Tab. 1 – etwas verkürzt – wiedergegeben wird. Die
Bereiche der familialen Kohäsion und der familialen Unterstützung lassen sich
als Ausdifferenzierungen der funktionalen Dimension nach Coleman verstehen
und das Konstrukt des familialen Netzwerks als Repräsentanz der strukturellen
Dimension.
Zu ergänzen bleibt, dass der Begriff der sozialen Kohäsion voraussetzungs-
voller ist als der Begriff des Sozialkapitals, und vor allem in der Familienpsycho-
logie als zentrales Kriterium familialer Funktionsfähigkeit beschrieben wird (z. B.
Dilworth-Anderson et al. 2005). So ist es möglich, dass trotz eines ausgeprägten
Sozialkapitals keine soziale Kohäsion besteht. Umgekehrt erscheint die Abwesen-
heit von Sozialkapital bei gegebener sozialer Kohäsion nur schwer denkbar.
3 Soziale Ungleichheit und kindliche Gesundheit
Eine umfangreiche Literatur widmet sich dem Zusammenhang zwischen sozia-
ler Ungleichheit und (kindlicher) Gesundheit. Zugrunde liegt hier das Konzept
des sozioökonomischen Status, d. h. die individuelle Position in einem durch
1Das Konzept des familialen Sozialkapitals von Coleman (1990) sowie die Operationalisie-
rung des Konzepts in der Forschung sind in mehrfacher Hinsicht kritisiert worden (Alvarez
et al. 2017; Morrow 1999). Es wird eingewendet, dass insbesondere Kinder und Jugend-
liche lediglich als Nutznießer des Sozialkapitals gesehen werden und dabei übersehen
wird, wie sie selbst zu dessen Entstehung beitragen (Morrow 1999). Kritisch ist zudem
anzumerken, dass der Begriff des „(family) social capital“ durch die Vielzahl der in ihm
vereinigten Konzepte unscharf wird. Er deckt sowohl strukturelle Aspekte ab (z. B. die
Familienform) als auch konkrete Unterstützungsleistungen aus dem Netzwerk bis hin zu
Zugehörigkeitsgefühlen, Interaktionsmustern oder der emotionalen Nähe zwischen Eltern
und Kindern (Morrow 1999). Hier fehlt die konzeptionelle Abgrenzung zu anderen, zum
Teil trennschärferen Begriffen wie z. B. dem Lebensstil (Wippermann 2009).
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Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Titel
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Untertitel
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Autoren
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Herausgeber
- Nico Vonneilich
- Verlag
- Springer VS
- Ort
- Wiesbaden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Abmessungen
- 14.5 x 21.0 cm
- Seiten
- 436
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369