Seite - 155 - in Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten - Eine neue Perspektive für die Forschung
Bild der Seite - 155 -
Text der Seite - 155 -
155Soziale
Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit
Ungleichheitslagen mit steigender familialer Kohäsion und Unterstützung des
Kindes durch die Eltern verbessert. Auch wenn geringe materielle Ressourcen oft
mit niedrigem Sozialkapital einhergehen, so können hiernach Kinder und Jugend-
liche in allen Soziallagen von einer guten Sozialkapital-Ausstattung profitieren.
Auch wenn sich somit für dieses Beispiel aus Deutschland kein Interaktions-
effekt zwischen sozioökonomischen Status und Sozialkapital bei der Vorhersage
der Gesundheit zeigt (und Forschungsfrage 2 hier somit verneint werden muss),
so ergeben die Studien zu nicht-westlichen Industrienationen (Adams et al. 2002;
Kana’iaupuni et al. 2005) ein anderes Bild: Unter der Bedingung von stärkerer
materieller Deprivation (Mexiko) bzw. extremer Armut (Mali) wird das Sozial-
kapital zu einem kompensierenden bzw. existenziellen Faktor für die Gesundheit
bzw. das Überleben der Kinder. Auch innerhalb der beiden hier besprochenen
Länder zeigt sich, dass die Kinder besonders armer Familien am meisten von
sozialer Unterstützung profitieren, die den Eltern zur Verfügung steht.
6 Abschließende Diskussion des Forschungsstands
Zunächst ist allgemein festzustellen, dass die Netzwerkperspektive sowie der
Ansatz des familialen Sozialkapitals bei der Erklärung kindlicher Gesundheit ein
großes Potenzial haben. In fast allen Fällen zeigen sich die erwarteten positiven
Korrelationen mit den Gesundheitsindikatoren.
Dennoch sind einige Aspekte kritisch zu diskutieren. Insbesondere die sozio-
logischen Sozialkapitalstudien gehen explizit oder implizit davon aus, dass die
Eltern die wesentlichen Netzwerkpersonen sind, durch die das Kind Zugriff auf
wichtige Ressourcen wie Aufmerksamkeit oder Unterstützung erhält. Darüber
hinaus werden gelegentlich noch Geschwister berücksichtigt. Weitere mögliche
Mitglieder des Familiennetzwerks, wie z. B. Großeltern, Onkel oder Tanten und
Paten, finden dagegen – im Gegensatz zum ausgereifteren Konvoy-Modell der
Autorengruppe um Mary J. Levitt – keine Beachtung.4 Insgesamt sind Studien,
4Ein weiterer Vorschlag, um breitere Familienkonfigurationen zu erfassen, stammt von
Widmer (2006). Bei der hier entwickelten „family network method“ handelt es sich im
Wesentlichen um Namensgeneratoren, bei denen Ego gebeten wird, signifikante Familien-
mitglieder zu nennen, die zurzeit oder im letzten Jahr eine wichtige Rolle in seinem Leben
gespielt haben. Dabei kann es sich sowohl um geliebte und respektierte Personen als auch um
Personen handeln, mit denen Konflikte bestehen. Eine Befragung auf Basis einer Studenten-
population, die auf dieser Methode aufbaut, führt zu verschiedenen Typen von familialen
sozialen Netzwerken, die neben Blutsverwandten auch Stiefeltern und Freunde umfassen, die
subjektiv als signifikante Familienmitglieder betrachtet werden (z. B. Taufpaten).
zurück zum
Buch Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten - Eine neue Perspektive für die Forschung"
Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Titel
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Untertitel
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Autoren
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Herausgeber
- Nico Vonneilich
- Verlag
- Springer VS
- Ort
- Wiesbaden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Abmessungen
- 14.5 x 21.0 cm
- Seiten
- 436
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369