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205Soziale
Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten …
Trennungen oder Scheidungen hingegen2 werden in der Literatur eindeutiger
als Gesundheitsrisiko betrachtet, das sich insbesondere durch eine Zunahme von
Risikoverhaltensweisen (z. B. Alkohol, Promiskuität) sowie von psychischer
Belastung (z. B. geringeres Wohlbefinden, Zunahme von Depressivität) gesund-
heitlich auswirken kann (Leopold 2018). Dass eine Scheidung insbesondere dann
zu psychologischem Stress und Anpassungsschwierigkeiten führt, wenn wahr-
genommene ökonomische Ressourcen für ihre Bewältigung unzureichend sind,
kann eine jüngere iranische Studie mit 800 geschiedenen Frauen (Durchschnitt-
alter 38,8 Jahre, 1 – 2 Jahre nach der formalen Scheidung) zeigen (Esmaeili et al.
2015). In den Ergebnissen der querschnittlichen Regressionsanalyse erklärten
Bildungsjahre (beta = –.05), Kinderzahl (beta = .45) und geringer ökonomischer
Status (beta = .46) multivariat 63.6 % der Varianz in der psychischen Sympto-
matik der Frauen. Hier gehen soziale und gesundheitliche Ungleichheiten Hand
in Hand.
3.2 Empty nest
Einen weiteren biografischen Übergang im Erwachsenenalter stellt der Auszug
der Kinder aus dem Elternhaus dar. Hierfür hat sich in der Forschung der Begriff
der „empty nest-Situation“ eingebürgert3. Es ist schon längere Zeit bekannt, dass
die Mehrheit der Eltern diesen Übergang ohne schwerwiegende emotionale,
gesundheitliche oder ökonomische Probleme bewältigt (Harkins 1978), was auch
ein Effekt des historisch veränderten Kindernutzens ist. Kinder, die in industria-
lisierten Wohlfahrtsgesellschaften das Elternhaus verlassen, entziehen diesem
kaum noch ihre Arbeitskraft, und emotionale Nähe lässt sich auch nach dem Aus-
zug herstellen – oft sogar besser als vorher (Papastefanu 2000).
Soziale Unterschiede werden deshalb nur dort mit dem Auszug der Kinder
assoziiert, wo die Kinder mehr als emotionalen Nutzen für die Familie haben.
2Wir machen im Folgenden keinen Unterschied zwischen der Trennung verheirateter oder
unverheirateter Paare oder zwischen dem Übergang zur faktischen Trennung vs. der recht-
lichen Scheidung eines verheirateten Paares, und nutzen der Einfachheit halber nur den
Begriff der Scheidung.
3In der Lebenslaufforschung herrscht Uneinigkeit, wie diese Transition korrekt benannt
werden sollte. Einerseits ist das Familiennest nach dem Auszug der Kinder nicht „leer“,
andererseits hören auch die Eltern mit dem Auszug ihrer Kinder nicht auf, Eltern zu sein
(postparental period). Für eine Übersicht siehe Bouchard (2014).
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Buch Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten - Eine neue Perspektive für die Forschung"
Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Titel
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Untertitel
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Autoren
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Herausgeber
- Nico Vonneilich
- Verlag
- Springer VS
- Ort
- Wiesbaden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Abmessungen
- 14.5 x 21.0 cm
- Seiten
- 436
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369