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208 H. von der Lippe und O. Reis
Aber auch jenseits des Stabilitätseffektes sozialer Netzwerke finden sich in der
Literatur Hinweise auf die direkte gesundheitliche Bedeutung nach einer erfolg-
ten Scheidung. Die frühe Längsschnittstudie von Hughes et al. (1993) befragte 29
alleinerziehende US-Amerikanerinnen drei sowie acht Monate nach der juristischen
Scheidung zu ihren Netzwerken und ihrer psychischen Gesundheit. Im zeitlichen
Umfeld der Scheidung wurde über eine hohe Dynamik in den Freundesbeziehungen
berichtet: Bereits in den Monaten um den Zeitpunkt der Scheidung herum waren den
Studienteilnehmerinnen im Schnitt knapp fünf Freunde verloren gegangen, bis zum
zweiten Interview waren es noch einmal vier weitere Freunde. Gleichzeitig kamen
in diesem Zeitraum circa fünf neue Freunde dazu. Während die Anzahl der Unter-
stützungsleister im Netzwerk beim ersten sowie zweiten Interview meist positiv
mit der psychischen Gesundheit beim zweiten Interview zusammenhing, sagte ein
hoher Eltern- und geringer Freundes- sowie Geschwisteranteil im Netzwerk eher
Anpassungsschwierigkeiten und eine geringere seelische Gesundheit bei den allein-
erziehenden Frauen voraus. Auch die Ergebnisse von Stone (2002) zeigen anhand der
Zusammensetzungs- und Unterstützungsmaße der Netzwerke von 101 geschiedenen
Vätern, dass seelische Gesundheit positiv mit den nach der Scheidung neu ins Netz-
werk hinzugekommenen Vertrauten und ihrer Unterstützung zusammenhängt.
Einen weiteren Zusammenhang zwischen der Zusammensetzung der sozia-
len Netzwerke und depressiven Symptomen nach einer Scheidung berichten
Kincaid und Caldwell (1991). In ihrer Analyse von 56 geschiedenen Perso-
nen aus der Milwaukee Family Study zeigte sich, dass insbesondere diejenigen
Personen, die die Scheidung selbst nicht initiiert hatten, von einem höheren
Verwandtenanteil im Netzwerk zu profitieren schienen, indem sie signifikant
geringere Depressionswerte berichteten. Bei den scheidungsinitiierenden Perso-
nen war der Zusammenhang schwach gegenläufig im Sinne eher marginal höhe-
ren Depressivität bei höherem Verwandtenanteil im Netz.
Die Ergebnisse in Bezug auf die sozialen Netzwerke von Geschiedenen sowie
ihre Gesundheitseffekte sind also weiter uneinheitlich, was in der Literatur durch-
aus gesehen und diskutiert wird (Ertel et al. 2009; Kalmijn et al. 2005). Hier liegt
ein vielversprechendes Feld für zukünftige Forschung.
Einen einzigartigen Einblick in den Zusammenhang von partnerschaftlichen
Netzwerken und seelischer Gesundheit liefert die Studie von Murphy et al. (1998).
Hier ging es um die Bewältigung eines anderen und seltenen traumatischen
Familienübergangs, nämlich des gewaltsamen Todes des eigenen Kindes in dessen
Jugend- oder jungen Erwachsenenalter. Die Daten von 261 trauernden Elternteilen
zeigen, dass sich vertrauensvolle und unterstützende Netzwerkbeziehungen ten-
denziell positiv im Sinne einer geringeren psychischen und physischen Sympto-
matik sowie einer höheren Partnerschaftszufriedenheit auswirkten.
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Buch Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten - Eine neue Perspektive für die Forschung"
Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Titel
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Untertitel
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Autoren
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Herausgeber
- Nico Vonneilich
- Verlag
- Springer VS
- Ort
- Wiesbaden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Abmessungen
- 14.5 x 21.0 cm
- Seiten
- 436
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369